Risikobeurteilung - DIN EN ISO 12100

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Risikobeurteilung - DIN EN ISO 12100Referent: Dipl.-Ing. Thorsten LerchBundesfachschule Kälte-Klima-TechnikBruno-Dressler-Straße 1463477 MaintalTel.: (06109) / 69 54 – 0 BFS01/2021„Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.2021DKV-Vortrag:1

RechtsfragenDie Risikobeurteilung ist ein spezielles Feld des Risikomanagements (RiskManagement).Einschlägige Richtlinien (z. B. Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, Druckgeräterichtlinie 2014/68/EU) und entsprechende nationale Gesetze (z. B.Produktsicherheitsgesetz) fordern die Durchführung einer Risikobeurteilung unddie damit einhergehende Risikominderung explizit.EG-Maschinenrichtlinie 2006/42 RisikobeurteilungEU-Druckgeräterichtlinie 2014/68 eine Analyse der Gefahren und Risiken vorzunehmen, umdie mit seinem Gerät verbundenen druckbedingten Gefahren und Risiken zu ermitteln.DKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.20212

RechtsfragenDie Grundnorm DIN EN ISO 12100 (Sicherheit von Maschinen) gibt allgemeineGestaltungsleitsätze sowie Begriffsdefinitionen (Risikobeurteilung, Risikoanalyse,Risikobewertung, etc.) an die Hand und beschreibt das Verfahren derRisikobeurteilung ausführlich. Sicherheit von Maschinen bedeutet in diesemKontext, dass Maschinen die ihnen zugedachten Funktionen in der jeweiligenLebensphase (z. B. Transport, Betrieb, Demontage, etc.) ausführen können unddas Risiko hinreichend gemindert wurde. Die Gewährleistung der Sicherheit vonMaschinen ist Aufgabe des Herstellers.DKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.20213

Abgrenzung der BegrifflichkeitenGefahrenanalyse Risikobeurteilung:Der Begriff „Gefahrenanalyse“ wurde in der gültigen Fassung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG durch den Begriff „Risikobeurteilung“ ersetzt. Auch in derGrundnorm DIN EN ISO 12100 (Sicherheit von Maschinen) findet der Terminus„Gefahrenanalyse“ keine Verwendung mehr.Gefahrenanalyse Begriff aus der nicht mehr gültigen EG-Maschinenrichtlinie 98/37/EGDKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.20214

Abgrenzung der BegrifflichkeitenGefährdungsbeurteilung:Die „Gefährdungsbeurteilung“ ist ein Begriff, der in diversen Verordnungen undGesetzen zum Arbeitsschutz verwendet wird. Demnach fordern insbesondere dasArbeitsschutzgesetz (ArbSchG), die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV),und die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) die Durchführung einer „Gefährdungsbeurteilung“. Dabei werden alle Gefahren betrachtet, die in einemArbeitsbereich von den verwendeten Arbeitsmitteln ausgehen können.z. B. Kälteanlage und Wechselwirkung zu anderen Anlagen und Maschinen (kannnur am Aufstellungsort erfolgen).DKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.20215

Abgrenzung der BegrifflichkeitenGefährdungsbeurteilung:Der Unterschied zwischen „Gefährdungsbeurteilung“ und „Risikobeurteilung“liegt darin, dass sich die Gefährdungsbeurteilung zwar auf dieselbe Maschinebezieht, aber seitens des Arbeitgeber (Betreibers) vor Inbetriebnahme derMaschine durchzuführen ist. Die Risikobeurteilung ist als iterativer ProzessAufgabe des Herstellers der Maschine und dient der Risikominderung vorInverkehrbringen. Die Risikobeurteilung wird daher bereits in den Entwicklungsbzw. Konstruktionsprozess der Maschine integriert. Wird von einemUnternehmen eine Maschine, z. B. für die eigene Fertigung, gebaut, muss fürdiese Maschine aus Herstellersicht die Risikobeurteilung und anschließend ausBetreibersicht die Gefährdungsbeurteilung durchgeführt und dokumentiertwerden.DKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.20216

Zehn Grundsätze der Risikobeurteilung von Maschinen1. Eine Risikobeurteilung ist keine freiwillige Leistung des Herstellers, sonderngesetzlich vorgeschrieben (ProdSG, 9. ProdSV).2. Eine Risikobeurteilung erfolgt nicht erst, wenn die Maschine bereitsmontiert wird oder probeläuft, sondern sie beginnt frühzeitig in der Planungund Entwicklung. Die Risikobeurteilung startet mit den ersten Konstruktionsskizzen und dem Vorliegen des Pflichtenheftes.3. Risikobeurteilung ist ein Prozess, kein isolierter Einmal-Vorgang, der abgehaktwird. Die Risikobeurteilung begleitet den Konstruktionsvorgang.4. Die Risikobeurteilung berücksichtigt sämtliche Lebensphasen einerMaschine. Sie umfasst alle Gefährdungen im Lebenszyklus, vom Transportüber die Montage / Installation über die Instandhaltung und Wartung bis zurDemontage und Entsorgung der Maschine.DKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.20217

Zehn Grundsätze der Risikobeurteilung von Maschinen5. Verantwortlich für die Risikobeurteilung ist die Geschäftsführung(Hersteller). Sie muss sicherstellen, dass Personal und Ressourcen inausreichendem Maß zur Verfügung stehen, um eine Risikobeurteilungangemessen und sorgfältig durchführen zu können.6. Die Risikobeurteilung ist zu dokumentieren. Form und Gestaltung derDokumentation sind nicht im Detail vorgeschrieben (MBT-Rat-RiskAssessment Tool / BFS-Maintal / Safexpert – IBF) .7. Die Dokumentation der Risikobeurteilung ist ein „lebendes“ Dokument. DieDokumentation ist insofern nie endgültig abgeschlossen, als sie bei jederNachrüstung oder jedem Umbau einer Maschine erneut angepasst werdenmuss.DKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.20218

Zehn Grundsätze der Risikobeurteilung von Maschinen8. Die Risikobeurteilung ist kein Stück Papier, sondern ein anspruchsvollerProzess. Daher ist die Risikobeurteilung normalerweise keine Aufgabe derTechnischen Redakteure. Denn sie setzt ausreichend Fachwissen voraus,über das in aller Regel nur die Konstrukteure und Entwickler verfügen.9. Die Risikobeurteilung ist Bestandteil der technischen Dokumentation (lt. EGMaschinenrichtlinie 2006/42). Sie ist Behörden auf Verlangen vorzulegen,gehört jedoch nicht zum Lieferumfang (Bedienungsanleitung) einerMaschine, da sie unternehmensspezifisches Knowhow enthalten kann.10. Risikobeurteilung ist keine Schikane der Europäischen Union oder desBundeministeriums für Arbeit und Soziales, sondern sie ist eine Chance fürden Hersteller zur Verbesserung seiner Produkte und zum Vorbeugen vonHaftungsrisiken.DKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.20219

Acht gefährliche Fehleinschätzung bei der Risikobeurteilungvon MaschinenTrotz aller seit Jahren bekannten Vorgaben und den vielfältigen Informationsmöglichkeiten durch Fachliteratur und Online-Portale kommt es beim Thema„Risikobeurteilung, Risikoanalyse und Risikobewertung“ immer noch zugefährlichen Irrtümern und Fehlvorstellungen, z.B.: „Unsere Maschine ist nicht besonders gefährlich, daher können wir uns denAufwand für eine Risikobeurteilung sparen.“Die Risikobeurteilungen sind keine freiwilligen Leistungen des Maschinenherstellers, sondern gesetzlich vorgeschrieben. „Wir müssen die Maschine erst mal konstruieren, dann können wir eineRisikobeurteilung vornehmen.“Die Risikobeurteilung muss von Anfang an in sämtliche Planungen undKonstruktionsprozessen berücksichtig werden.DKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.202110

Acht gefährliche Fehleinschätzung bei der Risikobeurteilungvon Maschinen „Die Gefährdungen durch die Maschine können erst vor Ort abgeschätztwerden, dies ist daher Aufgabe des Arbeitgeber (Betreiber) bzw. dessenFachkraft für Arbeitssicherheit.“Zwar muss der Arbeitgeber (Betreiber) unter den konkreten Einsatzbedingungen vor Ort eine „Gefährdungsbeurteilung“ durchführen, notwendige Schutzmaßnahmen für seine Mitarbeiter festlegen, seine Bediener in die Benutzungder Maschine einweisen und zu den Sicherheitsregeln unterweisen. DieseGefährdungsbeurteilung ersetzt jedoch in keinem Fall die weitaus früheranzusetzende Pflicht des Maschinenherstellers die Risikobeurteilung zuerstellen.DKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.202111

Acht gefährliche Fehleinschätzung bei der Risikobeurteilungvon Maschinen „Wir haben alle Risiken, die beim Betrieb der Maschine auftreten, beurteilt.“Eine Risikobeurteilung sollte sämtliche Phasen im Lebenszyklus einer Maschineumfassen. Dazu gehört nicht nur der Normalbetrieb, sondern auch vieleweitere Situationen wie Transport, Montage, Inbetriebnahme, Wartung,Reinigung, Störungen, Demontage, Außerbetriebnahme und Entsorgung.DKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.202112

Acht gefährliche Fehleinschätzung bei der Risikobeurteilungvon Maschinen „Die Risikobeurteilung übernimmt bei uns der Technische Redakteur. Dennder verfasst die Betriebsanleitung.“Diese Aussage zeigt, dass der Prozess der Risikobeurteilung nicht verstandenwurde. Denn es geht nicht darum, ein Dokument zu erstellen, sondern umeinen anspruchsvollen Prozess. Dieser setzt Fachwissen voraus, über das inaller Regel nur die Konstrukteure und Entwickler verfügen. Daher ist dieRisikobeurteilung und dessen Durchführung Aufgabe der Konstrukteure undnicht der Technischen Redaktion.DKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.202113

Acht gefährliche Fehleinschätzung bei der Risikobeurteilungvon Maschinen „Wir haben in unserer Risikobeurteilung das Schadenspotenzial und dessenWahrscheinlichkeit betrachtet, das muss genügen.“Je nach Maschinentyp und technischem Prozess müssen weitere Faktorenberücksichtigt werden, z.B. inwiefern bestimmte Anforderungen an dieQualifikation der Maschinenbediener bestehen (qualifiziertes Personal, nichtqualifiziertes Personal).DKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.202114

Acht gefährliche Fehleinschätzung bei der Risikobeurteilungvon Maschinen „Die Risikobeurteilungen muss unser CE-Beauftragter übernehmen, der istdafür zuständig.“Für einen CE-Beauftragten oder auch CE-Koordinator gibt es keine rechtsverbindliche Vorgaben, diese Position ist in der Maschinenrichtlinie oder denGesetzen und Verordnungen zur Maschinensicherheit gar nicht vorgesehen.Jedes Unternehmen kann dessen Aufgaben zwar theoretisch nach eigenemGusto festlegen, doch im Allgemeinen hat ein CE-Beauftragter die Aufgabe, zukoordinieren, Projekte zu steuern, Abläufe zu organisieren usw. für dieRisikobeurteilung selbst ist er i.d.R. nicht verantwortlich!DKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.202115

Acht gefährliche Fehleinschätzung bei der Risikobeurteilungvon Maschinen „Wir haben in der Betriebsanleitung auf alle Gefährdungen hingewiesen, allesAndere ist nun Sache des Arbeitgebers (Betreibers)“.Warnhinweise in der Betriebsanleitung sind nicht dazu da, die eigenenVerpflichtungen zu einer sicheren Konstruktion auszuhebeln. Bei einerBetriebsanleitung, die über viele Seiten Warnhinweise und Signalwörterauflistet, stellt sich die Frage, ob bei einer rechtssicheren und vorschriftsgemäßen durchgeführten Risikobeurteilung einige dieser Gefährdungen nichtbereits viel früher - konstruktiv oder durch technische Schutzeinrichtungen hätten minimiert werden können.DKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.202116

Die Methoden der Risikoanalyse und -beurteilungIn den Normen (z. B. DIN EN ISO 12100) und Richtlinien (z. B. EGMaschinenrichtlinie 2006/42) gibt es für das methodische Vorgehen zurRisikobeurteilung und Risikobewertung nicht die eine optimale Methode. Je nachProdukttyp und Branche haben sich unterschiedliche Verfahren undVorgehensweisen entwickelt. In der Maschinenbaubranche gelten – gemäß einerListe der BAuA – u.a. die folgenden Methoden und Verfahren als kationen/Berichte/F2216.pdf? blob publicationFileDKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.202117

Die Methoden der Risikoanalyse und -beurteilung GefährdungsbaumanalyseRisikoeinschätzung mittels Risikograph nach DIN V 19250Risikoeinschätzung mittels Risikograph nach DIN EN 954-1Risikoeinschätzung mittels Risikograph nach DIN EN ISO 13849-1Risikoeinschätzung nach DIN EN 62061Risikoeinschätzung mittels Risikomatrix nach NohlRisikoeinschätzung nach MILSTD 882D 2000Risikoeinschätzung mittels Risikozahlen nach ReudenbachRisikoeinschätzung nach E DIN EN ISO 14798Risikoeinschätzung nach RAPEX-VerfahrenRisikoeinschätzung mittels Nomogramm nach RaafatRisikoeinschätzung mittels der Methode nach KinneyFMEA (Failure Mode and Effects Analysis) Fehlermöglichkeits- und Einfluss-AnalyseDKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.202118

Keine Vorgabe zur Wahl der Methode zur RisikoeinschätzungWichtig zu wissen ist, dass die Methode zur Risikoeinschätzung keineswegsvorgeschrieben ist. Weder in der Maschinenrichtlinie noch in einer der weiterenCE-Richtlinien, die Risikobeurteilungen verlangen, noch in sonstigen Gesetzenund Regelwerken, findet sich die Forderung, eine bestimmte Methode oder einbestimmtes Verfahren zur Risikoeinschätzung anzuwenden.Dies kann zur Verunsicherung führen, bietet aber gleichzeitig dem Konstrukteurdie Möglichkeit, die Risikoeinschätzung individuell auf die gestellte Aufgabe unddie damit verbundenen Sicherheitsanforderungen anzupassen. Diese Chance zunutzen, bedeutet, eine effektive Risikoeinschätzung vorzunehmen, indemRisikoelemente und Parameter gewählt werden, die am besten zurAufgabenstellung passen. Nur bei einer effektiven Einschätzung der Risikenkönnen auch effektive Maßnahmen zur Minderung der Risiken ansetzen.DKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.202119

EN ISO 13849Um Risiken bewerten zu können, gibt es einenaktuell gültigen Risikographen aus der NormEN ISO 13849.DKV-Vortrag: „Risikobeurteilung – DIN EN ISO 12100“ / 18.01.202122

Mit dem Risikograph Risiken bewertenMit diesen Risikographen erfolgt die Einstufung eines Risikos über die folgendenBewertungskriterien: S: Ausmaß der Gefahr, des Schadens oder der Verletzung F: (frequency): Häufigkeit des Auftretens P: (probability): Möglichkeit zur Vermeidung oder Ausweichen der GefahrDie Höhe des jeweiligen Risikos ist abhängig davon, welche Verletzungen oderSchäden auftreten können, wie häufig dabei eine Person dieser Gefahrausgesetzt wird und von der Möglichkeit, wie sie

Die Grundnorm DIN EN ISO 12100 (Sicherheit von Maschinen) gibt allgemeine Gestaltungsleitsätze sowie Begriffsdefinitionen (Risikobeurteilung, Risikoanalyse, Risikobewertung, etc.) an die Hand und beschreibt das Verfahren der Risikobeurteilung ausführlich. Sicherheit von Maschinen bedeutet in diesem Kontext, dass Maschinen die ihnen zugedachten Funktionen in der jeweiligen Lebensphase (z. B .