Wohlstand Ohne Wachstum - Bpb

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Tim JacksonWohlstand ohne WachstumLeben und Wirtschaften in einer endlichen WeltBand 1280Tim JacksonWachstum ist nicht alles, aber ohne Wachstum ist alles nichts – ist diesesÖkonomen-Mantra noch zukunftsfähig? Und wenn ja, ist es dann auchvertretbar angesichts weltweiter ökologischer Schäden und wohlfahrtsgefährdender ökonomischer Krisen? Nein, meint der britische ÖkonomTim Jackson, aber er predigt deshalb nicht die ökonomische Abstinenzoder die Rückkehr zum Jagen und Sammeln. Sein Ansatz geht überstrukturelle Korrekturen der ökonomischen Systeme und ökologischeSchönheitsreparaturen hinaus und zielt letztlich auf eine veränderteDefinition von Lebenszufriedenheit und Wohlstand. Jackson regt mehrInvestitionen in öffentliche Güter und die stärkere Betonung sozialer undökologischer Verantwortung in den Unternehmensstrukturen an. Rechteund Pflichten der ökonomisch Handelnden sollen enger verschränkt werden. Das Buch macht deutlich, dass dem Wohlstand ohne Wachstumhohe Hürden gegenüberstehen. Es gehe aber, so Jackson, darum, an denWandel zu glauben und sich für ihn einzusetzen.Wohlstand ohne WachstumWohlstand ohne Wachstumbpb SR 1280N »Tim Jackson – Wohlstand ohne Wachstum« · 140 x 233 mmRücken 20 mm · Stand 25.04.2013

Tim JacksonWohlstand ohne Wachstum

SchriftenreiheBand 1280

Tim JacksonWohlstandohne WachstumLeben und Wirtschaftenin einer endlichen WeltHerausgegeben von der Heinrich-Böll-StiftungAus dem Englischen von Eva Leipprand

Tim Jackson leitet die Wirtschaftliche Führungsgruppe der Kommission fürNachhaltige Entwicklung, einem unabhängigen Beirat der britischen Regierung.Er ist Professor für Nachhaltige Entwicklung am Zentrum für Umweltstrategiender Universität Surrey.Dieses Buch wurde klimaneutral hergestellt.Diese Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung der Bundeszentralefür politische Bildung dar. Für die inhaltlichen Aussagen trägt der Autordie Verantwortung.Bonn 2013Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische BildungAdenauerallee 86, 53113 Bonn der Originalausgabe mit dem Titel „Prosperity without Growth.Economics for a Finite Planet“ bei Tim Jackson, 2009Zuerst veröffentlicht bei Earthscan, London, 2009 der deutschen Ausgabe oekom Verlag, München 2011Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH,aktualisierte und überarbeitete Neuausgabe, München 2013Übersetzung der englischen Ausgabe autorisiert durch Routledge,ein Mitglied der Tylor & Francis GroupUmschlaggestaltung: Michael Rechl, KasselUmschlagfoto: Adrian C. Nitu / Imagebroker / OKAPIALektorat und Revision der Neuausgabe: Linda GeßnerGestaltung und Satz Innenteil: Ines SwobodaDruck: CPI – Clausen & Bosse, LeckISBN 978-3-8389-0280-7www.bpb.de

Innen Jackson Growtz ND LZ-Thueringen.xpr A-Buch Mooney 25.02.13 15:07 Seite vVorwort zur aktualisierten und überarbeitetenNeuausgabe von Tim JacksonixVorwort von Uwe Schneidewind,Präsident des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energiexv1 Der verlorene WohlstandWohlstand als WachstumDie Frage der GrenzenJenseits der Grenzen136122 Das Zeitalter der VerantwortungslosigkeitAuf der Suche nach den SchurkenDas Labyrinth der SchuldenDer Feind im InnernÖkologische Schulden16172029303 Wohlstand neu definierenWohlstand als FülleWohlstand als NutzenWohlstand als VerwirklichungschancenVerwirklichungschancen innerhalb von Grenzen32343539414 Das WachstumsdilemmaMaterielle Fülle als Voraussetzung des GedeihensEinkommen und grundlegende AnsprücheEinkommenswachstum und wirtschaftliche Stabilität44455055

Innen Jackson Growtz ND LZ-Thueringen.xpr A-Buch Mooney 25.02.13 15:07 Seite vi5 Der Mythos EntkopplungRelative EntkopplungAbsolute EntkopplungDie Zahlenlehre des WachstumsSchwerwiegende Entscheidungen59606368736 Das »stahlharte Gehäuse« des KonsumismusStrukturen des KapitalismusGesellschaftliche LogikDer Reiz des Neuen und die Angst788088907 Keynesianismus und der »Green New Deal«Wege, das Wachstum anzukurbelnDer Green New DealStrategien zur Schaffung von ArbeitsplätzenDas Potenzial für einen »grünen« AufschwungDen Aufschwung finanzierenJenseits des Aufschwungs939496981001031058 Ökologische MakroökonomieGrundlagen der MakroökonomieDen »Motor des Wachstums« verändernDie Arbeit teilenÖkologische InvestitionenGrundlagen für eine ökologische Makroökonomie1081101141191221269 Gedeihen – in GrenzenEin Leben ohne SchamAlternativer HedonismusDie Rolle des strukturellen Wandels128131132136

Innen Jackson Growtz ND LZ-Thueringen.xpr A-Buch Mooney 25.02.13 15:07 Seite vii10 Ein Regierungsmodell für den WohlstandDie Rolle der RegierungEigennutz und SelbstlosigkeitVarianten des KapitalismusDer Staat im Zwiespalt14114214514714911 Der Weg in ein nachhaltiges WirtschaftssystemDie Grenzen festsetzenDas Wirtschaftsmodell reparierenDie gesellschaftliche Logik verändernKein Utopia15315515716116412 Bleibender WohlstandVorstellungen vom WohlstandAschenputtel auf dem Ball?Das Ende des Kapitalismus?Es ist an der Zeit 166168172175179Dank182AnhangRedefining Prosperity. Ein Projekt der SustainableDevelopment Commission184Literatur187Anmerkungen200Über den Autor220

Innen Jackson Growtz ND LZ-Thueringen.xpr A-Buch Mooney 25.02.13 15:07 Seite viii

Innen Jackson Growtz ND LZ-Thueringen.xpr A-Buch Mooney 25.02.13 15:07 Seite ixVorwort zur aktualisierten und überarbeiteten NeuausgabeTim Jackson»Die Vergangenheit ist ein fremdes Land«, verkündet der titelgebendeErzähler des Films The Go-Between – Der Mittler, »sie machen dort allesanders.« Erst vier Jahre sind seit der Erstveröffentlichung von Prosperitywithout Growth vergangen – kaum zwei seit der ersten deutschen Ausgabe – und doch scheint die Welt heute schon eine ganz andere zu sein.Einer der deutlichsten Unterschiede ist, dass sich die globale Wachstumsdebatte dramatisch verändert hat. Die konventionelle Vision vongesellschaftlichem Fortschritt als ein Paradies endlosen Wachstums wirdzunehmend genaueren Prüfungen unterzogen: nicht nur durch diejenigen, die an der grundsätzlichen Machbarkeit zweifeln und seineErwünschtheit hinterfragen; auch durch die, die sich Gedanken darüber machen, wo um alles in der Welt dieses Wirtschaftswachstum herkommen soll – jetzt, nach der schlimmsten Finanzkatastrophe innerhalbder letzten achtzig Jahre. Die Frage, die einstmals nicht gefragt werdendurfte, beherrscht die Medien heute regelmäßig: Ist es vorstellbar, dassuns Wirtschaftswachstum am Ende doch keinen bleibenden Wohlstandliefert?Als ich in meiner Rolle als Wirtschaftsbeauftragter zum ersten Mal zuerkennen gegeben habe, dass die britische Regierungskommission fürSustainable Development einen Bericht über die Beziehung zwischenWachstum und Nachhaltigkeit schreiben würde, warf mir ein Schatzmeister aus dem Publikum vor, ich würde wollen, dass wir alle wieder inHöhlen leben. Ein anderer Amtsträger hat viel Zeit und Mühe investiert,um mich davon abzubringen, den Wachstumsaspekt überhaupt in denBericht mit aufzunehmen. Wachstum zum Thema zu machen ist dochaber genau der Punkt, gab ich naiv zurück. Im April 2009, in der Nachtvor der Veröffentlichung, rief mich derselbe Beamte an, um mir mitzuteilen, dass »Number 10« (die britische Regierungsresidenz in der DowningVorwortix

Innen Jackson Growtz ND LZ-Thueringen.xpr A-Buch Mooney 25.02.13 15:07 Seite xStreet, London – seinerzeit die von Gordon Brown) »an die Decke gegangen ist«. Was ich da hätte machen sollen, ist mir bis heute ein Rätsel.Im Rückblick kann ich natürlich erkennen, dass es für einen Regierungsberater gewagt war, einen Bericht zu veröffentlichen, der zwei sowenig zueinander passende Begriffe in einem Titel zusammenbringt:»ohne« und »Wachstum«. Einen derartigen Report aber in genau derWoche zu publizieren, in der der Premierminister einen G20-Gipfel ausrichtet, um über Wachstumsanstöße zu beratschlagen, bedeutet, dassman Ärger sucht. (Die Kommission selbst hat nach der Veröffentlichungübrigens kein weiteres Jahr überlebt.) Auch hier zeigt sich der kulturelleUnterschied zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Die Krise war erstein paar Monate alt und die G20-Sprache strotzte noch vor Selbstüberschätzung: das Wachstum brauche einfach nur einen entschiedenen »Trittvon hinten« und die Dinge würden sich schon schnell wieder normalisieren.Vier Jahre später sieht es so aus, als wäre dieser Begeisterungsrauschfür kurzfristige Konjunkturpakete eher jugendliche Schwärmerei gewesenals ein bedeutsames Liebesverhältnis. Die Bruchlinien innerhalb der konventionellen Wirtschaftswissenschaften haben sich spürbar ausgedehnt.Was einmal nach kleinen, für die westliche Welt kaum sichtbaren Rissen aussah, hat sich mittlerweile zu respektablen Schluchten vertieft,die ganze Nationen zu verschlingen drohen. Der Kollaps der LehmannBrothers am 15. September 2008 signalisierte mehr als den Beginn einerkonjunkturellen Liquiditätskrise. Das stumpfe Licht der hartnäckigenRezession hat die einstmals so makellose Oberfläche des KapitalismusBruch für Bruch ausgeleuchtet: schonungslos offenbart sich, dass dieseBrüche tief ins Herz des Wirtschaftsmodells reichen.Wie Wohlstand ohne Wachstum zeigt, ist der moderne Kapitalismusseiner Natur nach auf die vermeintliche Unersättlichkeit menschlicherBedürfnisse angewiesen, in der permanenten Erwartung stetig wachsender Konsumausgaben. Wo auch immer er auftaucht – der Kapitalismusdrängt dadurch nach vorne, dass er nach immer neuen Märkten fürimmer neue Produkte sucht: die kontinuierliche Überwerfung mit demAlten zugunsten des Neuen, das Eindringen des Marktes in immer persönlichere Bereiche unseres Lebens. Am Anfang kann dieser Prozessungemein produktiv sein und zu erheblichen Verbesserungen im realenLebensstandard führen. Um dem Gebot unseres Wirtschaftssystems abergerecht zu werden, und diesen Prozess dauerhaft in Gang zu halten, brauchen wir Menschen, die eisern an ihrer Sucht nach materiellen DingenxTim Jackson Wohlstand ohne Wachstum

Innen Jackson Growtz ND LZ-Thueringen.xpr A-Buch Mooney 25.02.13 15:07 Seite xifesthalten, die immerzu bereit sind, sich Geld zu leihen und auszugeben – wenn nötig, sogar ihre eigene finanzielle Zukunft zu verpfänden –nur um weiter einkaufen und konsumieren zu können.Und wenn wir ehrlich sind, sind wir alle ein bisschen betroffen: das»Neue« ist für uns alle interessant und in unterschiedlichem Maße bedeutsam. Über das »Neue« erzählen wir uns zum Beispiel Geschichtendarüber wie wichtig wir sind: das »Neue« signalisiert Status. Außerdemsignalisiert es uns Fortschritt und bietet Hoffnung – eine leuchtendereund glänzendere Welt für unsere Kinder und Kindeskinder. Sollten wirunsere Lust am Neuen einmal vergessen oder versuchen, gar ohne auskommen zu wollen, sind schnell jede Menge pfiffiger Werber und Vermarkter, Investoren und Politiker zur Stelle, um uns wieder daran zuerinnern. Um uns – in ganz einfachen Worten – dazu zu bringen, vondem Geld, das wir nicht haben, Dinge zu kaufen, die wir nicht brauchen, um bei Leuten, die uns eigentlich egal sind, Eindruck zu hinterlassen, der nicht anhält.Bei genauerer Untersuchung zeigt sich, dass die Vorstellung von derMenschheit als einer unersättlichen Horde eigennütziger »NovitätenJäger« – wenn schon nicht völlig unzutreffend – absolut unvollständig ist.Es stellt sich heraus, dass eigentlich nur Ökonomen wirklich daran glauben. Die gute Nachricht ist: wir brauchen keinen radikalen Wandel in dermenschlichen Natur, um Wohlstand zu erreichen. Die schlechte Nachricht ist: unser Wirtschaftsmodell ist von Grund auf fehlerhaft.Die Rezession ist das perfekte Lehrstück. Die finanzielle Krise warnicht einfach nur Ergebnis schurkenhaften Verhaltens oder unglücklicherUmstände. Ihr Eintreten war schlichtweg unvermeidbar: ein Störfall, dernur darauf gewartet hat, aufzutreten. Eine Wirtschaft, deren Stabilität vonendloser Stimulation der Konsumentennachfrage abhängt, greift zwangsläufig auf eine Ausweitung der Geldmenge zurück, um Wachstum inGang zu halten. Der Kreditboom schafft empfindliche Bilanzen, und umhässliche Schulden zu verschleiern, werden komplexe finanzielle Instrumente entwickelt. Das geht solange gut, bis diese Schulden überhandnehmen und ein »toxisches« Maß erreichen – dann bricht das Systemzusammen.Regierungen haben zig Billionen Dollar eingesetzt, um den Bankenaus der Klemme zu helfen und die Weltwirtschaft wiederzubeleben. HoheFinanzkredite haben jedoch nur eine weitere schwere Krise herbeigeführt:In der gesamten Eurozone ist ein Land nach dem anderen mit wachsenden Defiziten, schwerwiegender Staatsverschuldung und zurückgestufterVorwortxi

Innen Jackson Growtz ND LZ-Thueringen.xpr A-Buch Mooney 25.02.13 15:07 Seite xiiBonitätsbeurteilung konfrontiert. Die strengen Sparpolitiken, die eingeführt wurden, um die Kreditfähigkeit zu schützen, haben es nicht geschafft, die wirklichen, grundlegenden Probleme zu lösen. Schlimmernoch: sie haben neue soziale Probleme geschaffen. Der Rückgang gesellschaftlicher Investitionen hat zu noch größeren Ungleichheiten geführt,die Arbeitslosigkeit ist gestiegen – die Erregung der Öffentlichkeit nimmtspürbar zu. Die Ungerechtigkeit finanzieller Rettungszahlungen an dieArchitekten der Krise ist für alle sichtbar geworden: die Lasten tragen dieOpfer der Krise. Großflächige soziale Unruhen sind zum Greifen nahe.Es war wahrscheinlich vorhersehbar, dass die offizielle Antwort nachwie vor »Wachstum um jeden Preis« heißt – und bisweilen offenbart dieser Ruf die Verzweiflung des Süchtigen. »Das Kabinett, dem ich vorsitze,ist jetzt ein Wachstumskabinett«, prahlte Premierminister David Cameron in einer Rede vor der Confederation of British Industry im letztenJahr. »Ich will, dass jede Abteilung in Whitehall eine Wachstumsabteilungwird.« Indem er die Bedingungen mit denen des Krieges verglich, plädierte er dafür, Vorschriften zu umgehen und Konventionen über denHaufen zu werfen. »Um diese weltweite Jagd zu gewinnen, müssen wiralle Kräfte mobilisieren, die wir haben«, verkündete er.So ein Hurrapatriotismus verrät einen erstaunlichen Mangel an Fantasie und Sichtweite. Außerdem signalisiert er eine beängstig

10 Ein Regierungsmodell für den Wohlstand 141 Die Rolle der Regierung 142 Eigennutz und Selbstlosigkeit 145 Varianten des Kapitalismus 147 Der Staat im Zwiespalt 149 11 Der Weg in ein nachhaltiges Wirtschaftssystem 153 Die Grenzen festsetzen 155 Das Wirtschaftsmodell reparieren 157 Die gesellschaftliche Logik verändern 161 Kein Utopia 164 12 Bleibender Wohlstand 166