Fachkräftesicherung Für Die Arbeitswelt Der Zukunft

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DOKUMENTATION DER FACHTAGUNGFACHKRÄFTESICHERUNG FÜR DIE ARBEITSWELT DERZUKUNFTZwischenbilanz der ESF-Sozialpartnerrichtlinie„Fachkräfte sichern: weiter bilden und Gleichstellung fördern“27. Februar 2019, Tagungswerk Berlin

2WANDEL IN PARTNERSCHAFT GESTALTEN„Fachkräftesicherung für die Arbeitswelt der Zukunft!“ - unterdiesem Motto fand am 27.02.2019 im Tagungswerk Berlin dieFachtagung zur Zwischenbilanz der ESF-Sozialpartnerrichtlinie"Fachkräfte sichern: weiter bilden und Gleichstellung fördern"statt.Rund 200 Gäste folgten der Einladung, darunter Vertreterinnenund Vertreter aus den Projekten der Initiative, aus Ministerien,Verbänden und Gewerkschaften sowie Akteuren aus demBereich Arbeitsmarkt und Fachkräftesicherung.Zu der Veranstaltung geladen hatte das Bundesministerium fürArbeit und Soziales (BMAS).Mit der ESF-Sozialpartnerrichtlinie unterstützt das BMAS dieAnstrengungen der Sozialpartner und betrieblichen Akteure beider Fachkräftesicherung und Anpassung an den demografischenund technologischen Wandel. Das Programm wurde in engerAbstimmung mit der Bundesvereinigung der ewerkschaftsbund (DGB) entwickelt, begleitet und umgesetzt.Die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung der Tagungoblag der programmbegleitenden Regiestelle, die durch dasForschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) gemeinsam mitdem DGB Bildungswerk e.V. umgesetzt wird.Veranstaltungsdokumentation - Fachtagung „Fachkräftesicherung für die Arbeitswelt der Zukunft“, Berlin 27. Februar 2019

3LAND DES LERNENSDie parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium fürArbeit und Soziales, Anette Kramme eröffnete die Fachtagungund betonte in Ihrem Grußwort positiv „Trotz zunehmenderDigitalisierung und Automatisierung wird uns die Arbeit auch inZukunft nicht ausgehen. Aber: Die Arbeit wird anders.Berufsprofile, Tätigkeiten und Qualifikationsanforderungenwandeln sich. Die ausgelösten Veränderungen bergenzugegebenermaßen viele Herausforderungen, aber vor allemauch Chancen.“ Sie forderte, dass Deutschland noch stärker alsbisher zu einem Qualifizierungsland, zu einem Land des Lernenswerden müsse.Hier setzen die Projekte der Initiative mit ihren vielfältigenAnsätzen bereits an und liefern seit drei Jahren wertvolleImpulse. In der laufenden ESF-Förderperiode 2014-2020 sind imRahmen der Sozialpartnerrichtlinie bisher rund 120 Projektegestartet. Die bundesweit verorteten Vorhaben zielen auf denAusbau nachhaltiger Weiterbildungsstrukturen in Unternehmenund auf die Verbesserung der gleichberechtigten Teilhabe vonFrauen am Arbeitsmarkt.Als Gründe für den Erfolg des Programms führte dieStaatsekretärin aus: „Aus unserer Sicht ist der entscheidendeErfolgsfaktor der Richtlinie der konsequente Ansatz derPartnerschaft - von der Planung des Förderprogramms, über diestrategische Begleitung durch die Steuerungsgruppe bis hin zurkonkreten Umsetzung in den Betrieben.“GrußwortVeranstaltungsdokumentation - Fachtagung „Fachkräftesicherung für die Arbeitswelt der Zukunft“, Berlin 27. Februar 2019

4SOZIALER DIALOG IN EUROPA - WEITERBILDUNGUND GLEICHSTELLUNG IN PARTNERSCHAFTFÖRDERNIn seinem Vortrag betonte Herr Egbert Holthuis, Leiter desLänderreferats D5 – Generaldirektion Beschäftigung, Sozialesund Integration der Europäischen Kommission, dass ein gutfunktionierender sozialer Dialog eine Voraussetzung für daseinzigartige europäische Modell der sozialen Marktwirtschaftsei.Insbesondere in Zeiten eines tiefgreifenden Wandels derGesellschaften und insbesondere der „Welt der Arbeit“ sei esvon entscheidender Bedeutung für unsere Gesellschaften undVolkswirtschaften, wie wir diesen Wandel gestalten. DieVeränderungen durch neue Technologien seien massiv undwürden Potenzial als auch Risiken bergen. MehrEntscheidungsfreiheit in der beruflichen Laufbahn und flexiblereArbeitsformen stünden einer möglichen wachsendenUnsicherheit und Ungleichheit sowie einer Schwächung desSozialschutzes von Arbeitnehmern gegenüber. Die Sozialpartnerseien am Puls dieser grundlegenden Veränderungen derArbeitswelt und könnten die Zukunft der Arbeit und den indiesem Zuge immer wichtiger werdenden Bereich derWeiterbildung mitgestalten.Die Kommission unterstützt die Sozialpartner beim sozialenDialog. Dieser soll durch den aktuellen Vorschlag des ESF weiterbefördert werden, indem dem Aufbau gutersozialpartnerschaftlicher Strukturen mehr Aufmerksamkeitgeschenkt werden soll. Dabei werden die Mitgliedsstaaten auchverpflichtet, die Sozialpartner angemessen an der Planung undUmsetzung der vom ESF unterstützten politischen Maßnahmenzu beteiligen.Abschließend zeigte Herr Holthuis auf, dass die Sozialpartnerebenfalls einem Wandel unterliegen, da sich die Rahmenbedingungen für den sozialen Dialog und die Tarifverhandlungenverändern. Wichtig sei, den sozialen Dialog auch weiterhinaufrecht zu erhalten, aus diesem Grund habe die Kommissionden Neubeginn für den sozialen Dialog eingeleitet und denGrundsatz des sozialen Dialogs in der europäischen Säulesozialer Rechte verankert.Eckpunkte des VortragsVeranstaltungsdokumentation - Fachtagung „Fachkräftesicherung für die Arbeitswelt der Zukunft“, Berlin 27. Februar 2019

5DISKUSSIONSRUNDE - SOZIALPARTNERSCHAFT IMWANDEL DER ARBEITSusanne Kretschmer und Ulrich Nordhaus von der Regiestelle„Fachkräfte sichern“ diskutierten gemeinsam mit den Gästen Peter Clever, Mitglied der Hauptgeschäftsführung derBundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des DeutschenGewerkschaftsbundes Egbert Holthuis, Generaldirektion Beschäftigung, Soziales undIntegration der Europäischen Kommissionund Wolfgang Husemann, Leiter der Gruppe "Europäische Fonds fürBeschäftigung“ im Bundesministerium für Arbeit und Sozialeszu Anforderungen und Strategien, die sich vor dem Hintergrunddes demographischen Wandels und der Digitalisierung für densozialpartnerschaftlichen Dialog ergeben.Peter Clever betonte dabei, dass Bildung einer der härtestenStandortfaktoren sei. Gut am Programm sei, dass es beideSozialpartner zusammenbringe. „Nur in dieser Kooperationwerden wir in einer Gesellschaft rasanten Wandels Stabilität undSicherheit erlangen: Wandel und Sicherheit sind kein Gegensatz.“In diesem Sinne wäre es erforderlich, an der Haltung vonMenschen zu arbeiten, da der Wandel häufig mit Ängstenverbunden und negativ besetzt sei.Wolfgang Husemann hob hervor, dass die ESFSozialpartnerrichtlinie gekennzeichnet sei durch vertrauensvolleKontinuität und die Experimentierfreude, neue Themen positivanzugehen. So liefere die Sozialpartnerrichtlinie bereits jetztpraktische Beispiele, wie Arbeit 4.0 aussehen kann. Zudembetonte er den Anspruch des ESF: „Der ESF ist das sozialeGesicht Europas. Er setzt sich ein für Gleichstellung und einpartnerschaftliches Europa. Jedes Projekt erzählt ein StückGeschichte, der Geschichte des Zusammenhalts, Helfens,Forderns und Förderns. Jedes Projekt ist ein europäischerBotschafter, ein Bekenntnis für gelebte europäische Solidarität.Das kommt bei den Bürgern an.“ Zugleich mahnte er an: „Wirmüssen die europäische Idee der Gründerväter heute mehr dennje bewerben. Der ESF leistet mit seinen mehr als 60.000Projekten dazu einen ganz wesentlichen Beitrag - vor Ort!Auf die Frage, was die europäischen Partnerländer vom Modellder deutschen Sozialpartnerrichtlinie lernen könnten, antworteEgbert Holthuis, dass das sozialpartnerschaftliche Modellaufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen von anderenLändern zwar nicht 1:1 kopiert werden könne, es jedoch alsVorbild aufzeige wie mit Sozialpartnern Gesamtlösungenentwickelt werden könnten.Veranstaltungsdokumentation - Fachtagung „Fachkräftesicherung für die Arbeitswelt der Zukunft“, Berlin 27. Februar 2019

6Elke Hannack führte aus, dass es gerade in Klein- undKleinstbetrieben noch Defizite im Punkto Weiterbildung gäbe,hier könne die ESF-Sozialpartnerrichtlinie helfen und alifizierungsformen am Arbeitsplatz gefunden werden, dieauch bei vollen Auftragsbüchern greifen können. Auch siebegrüßte eine Fortsetzung des Programms und betonte„Sozialpartnerschaft bewährt sich und ist ein Modell für Europa“.ERKENNTNISSE AUS DERPROGRAMMUMSETZUNGDie Zwischenbilanz zum Programm zog Cornelia Schäff, BMASgemeinsam mit Verantwortlichen der Regiestelle, Hans UlrichNordhaus und Gunda Fischer.Ausgangpunkt für die Richtlinie, war die Erkenntnis, dass es trotzbestehender Vereinbarungen auf sozialpartnerschaftlicherEbene zur Weiterbildung und Gleichstellung auf betrieblicherEbene nach wie vor konkreter Umsetzungsansätze und Aktivitäten bedarf.Bei der Weiterbildung wie bei der gleichberechtigten Teilhabevon Frauen am Arbeitsmarkt spielen die Sozialpartner einewesentliche Rolle. Im Rahmen der Richtlinie werden daher dieAnstrengungen der Sozialpartner im Hinblick diese Zieleunterstützt.Ziel ist es Betriebe, aber auch die Sozialpartner langfristig in dieLage zu versetzen Weiterbildung und Gleichstellung als„tägliche“ Aufgabe zu verstehen, die es zu planen und zugestalten gilt, daher setzt die Richtlinie auf die Entwicklung vonStrukturen in oder für Betriebe, um die Themen nachhaltig inder Unternehmenskultur zu verankern.Im Rahmen der Initiative geht es darum bestehendeQualifizierungstarifverträge und Betriebsvereinbarungen zurWeiterbildung und Förderung der Gleichstellung aktiv zugestalten und in Branchen die bisher keine gemeinsamenLeitlinien vereinbart haben, den Dialog in dieser Hinsichtebenfalls zu befördern.In den vergangenen drei Jahren wurden bereits über 16.500Beschäftigte in 1.800 Unternehmen erreicht, davon 1.300 kleineund mittlere Unternehmen. Dies übertrifft die Erwartungendeutlich. In der Umsetzung zeigt sich, betriebliche Weiterbildunggelingt dort, wo Führungskräfte und Personalverantwortlicheund Betriebsräte und Beschäftigte miteinander kooperieren undQualifizierung ein gemeinsames Ziel ist. So sind geradeFührungskräfte aber auch Betriebsräte häufig Zielgruppen vonProjektmaßnahmen, da sie Gestalter auf betrieblicher EbeneVeranstaltungsdokumentation - Fachtagung „Fachkräftesicherung für die Arbeitswelt der Zukunft“, Berlin 27. Februar 2019

7gelten und nachhaltig Veränderung im Unternehmen begleitenkönnen. Die gemeinsame Planung und Projektentwicklungfördert die Akzeptanz bei den Beschäftigten. Partizipation wirdals Wertschätzung wahrgenommen und erhöht die Bereitschaftzur Teilnahme.Die Sozialpartner werden in die Projekte eingebunden undspielen insbesondere für die Aktivierung und den Transfer eineentscheidende Rolle.Insgesamt 36 Tarifverträge und 31 Sozialpartnervereinbarungen befördern nach 3 Jahren Umsetzung die Richtlinie.Insgesamt 21 neue Sozialpartnervereinbarungen wurdenexplizit für die Richtlinie abgeschlossen, dies auch in Branchen,wie Gesundheit und Pflege oder Handel in denen aktuell keineVereinbarungen zu Weiterbildung und Gleichstellung vorliegen,ein weiterer bemerkenswerter Erfolg der Initiative.Präsentation - Erkenntnisse der ProgrammumsetzungVeranstaltungsdokumentation - Fachtagung „Fachkräftesicherung für die Arbeitswelt der Zukunft“, Berlin 27. Februar 2019

8FACHFOREN: DEN WANDEL GESTALTEN –SOZIALPARTNERSCHAFTLICHE LÖSUNGSANSÄTZEForum I: Weiterbildung stärken – Qualifizierung für die Arbeitder ZukunftReferenten: Marius Richter, Prospektiv Gesellschaft für betrieblicheZukunftsgestaltungen mbH - DiWaq – Digitale Kompetenzen in derWasserwirtschaft erkennen und qualifizieren Wolfram Gießler, BiG-Bildungsinstitut im GesundheitswesenGemeinnützige GmbH - Branchendialog in der Gesundheits- undSozialwirtschaft in digitalisierten Arbeitswelten Jochen Schroth, IG Metall Vorstand - Arbeit Innovation.Kompetenzen stärken Zukunft gestaltenModeration: Dr. Michael Stahl, Arbeitgeberverband Gesamtmetall e.V. Gunda Fischer, Regiestelle „Fachkräfte sichern“In der gemeinsamen Diskussion mit Referenten und Gästenwurden vor insbesondere die folgenden Herausforderungendiskutiert: In Zeiten immer schnelleren Wandels wird Neu- undUmlernen zum ständigen Begleiter aller Beschäftigten imBetrieb. Beschäftigte müssen für die Notwendigkeitlebensbegleitenden Lernens aufgeschlossen und dazubefähigt werden. Die Zielgruppen von Weiterbildung und derenLernvoraussetzungen, -bedarfe und Wünsche werdenheterogener. Dies stellt erhöhte Anforderungen an dieIndividualisierung von Konzepten und Formaten derWeiterbildung. Es zeige sich auf betrieblicher Ebene Unsicherheit, wie genausich Tätigkeiten und Qualifikationen verändern, welcheneuen Technologien die Arbeit der Zukunft prägen, welcheKompetenzanforderungen dies an Beschäftigte stellen werde.Dies fordere die Gestaltung der Weiterbildungsangebotebesonders heraus. Weiterbildung bewegt sich auch zunehmend imSpannungsfeld zwischen berufs- bzw. Tätigkeitsbezug,Vergleichbarkeit im Rahmen von Standards (z.B. DQR) undagiler, individueller Planung und Umsetzung.Die folgenden Ansätze zur Bewältigung der Herausforderungenwurden beschrieben: Es braucht eine strategische Weiterbildungsplanung, mit derWeiterbildungsbedarfe von Beschäftigten ermittelt werdenVeranstaltungsdokumentation - Fachtagung „Fachkräftesicherung für die Arbeitswelt der Zukunft“, Berlin 27. Februar 2019

9 und davon ausgehend beteiligungsorientiert Weiterbildungsangebote entwickelt werden.Führungskräfte und betriebliche Interessensvertretungenmüssten zur Ausübung ihrer Rolle als Weiterbildungsmentoren weitergebildet werden.Sozialpartner könnten den Wandel proaktiv durch dieMitwirkung in Steuerungsgruppen, den Abschluss vonQualifizierungstarifverträgen und die Unterstützung desTransfers in die Branche unterstützen. Diese spielen aucheine wichtige Rolle in der Ausgestaltung der Weiterbildung inHinblick auf die Passung zu internationalenVergleichsstandards einerseits und die betrieblichen undberufs- bzw. tätigkeitsbezogenen Anforderungen vonBetrieben und Beschäftigten andererseits.Denkbar wäre ein sozialpartnerschaftlich getragener„Zukunftspakt“, mithilfe dessen zukünftige Entwicklungen inHinblick auf die Veränderungen bei Tätigkeiten,Qualifikationen und Arbeitsplätze prognostiziert undmögliche Anpassungsprozesse frühzeitig initiiert werdenkönnten.Innovationszentren (z.B. Lernfabriken) könnten dabeiunterstützen, Betrieben Standort- und BeschäftigtenZukunftsperspektiven zu eröffnen, indem Potentiale derDigitalisierung aufbereitet und Impulse zum digitalen Wandelunter dem Leitbild guter Arbeit gesetzt werden.Dokumentation der Präsentationen Forum IVeranstaltungsdokumentation - Fachtagung „Fachkräftesicherung für die Arbeitswelt der Zukunft“, Berlin 27. Februar 2019

10Forum II: Gleichstellung und Arbeitszeitgestaltung in derdigitalen TransformationReferentinnen und Referenten: Sophie Keindorf/Marie Prescher, k.o.s. GmbH - Frauen stärken dasHandwerk - 125 Wege und Chancen für Frauen im Handwerk Stefan Versinger, Vereinigte Unternehmerverbände Aachen NextStep: Familie und Karriere – LebensphasenorientierteKarriereverläufe in KMU Claudia Niemann, Erich-Pommer-Institut - sparkx – Das LeadershipProgramm für Frauen in Medienunternehmen ihre Projektansätzezur Gleichstellung und Arbeitszeitgestaltung in der digitalenTransformationModeration: Katharina Weinert, Handelsverband Deutschland (HDE) Dr. Dr. Christina Stockfisch, Regiestelle „Fachkräfte sichern“In der gemeinsamen Diskussion mit Referentinnen, Referentenund Gästen wurden vor insbesondere die folgendenHerausforderungen diskutiert: Die Digitalisierung kann die Gleichstellung der Geschlechterbefördern, allerdings müssen einige Voraussetzungen erfülltsein. Grundsätzlich gilt bei Gleichstellungsfragen, dass dieUnterstützung von Frauen allein nicht ausreicht, sondernbetriebliche Strategien in nachhaltige Strukturen zurkontinuierlichen Gleichstellung in Betrieben gegossenwerden müssen. Dies wird vor allem vor dem Hintergrundzunehmender Nachwuchsengpässe in vielen Branchen immerrelevanter. Arbeits(zeit-)modelle (z.B. Home Office) können eine Formder Flexibilisierung und Individualisierung der Arbeit sein,gleichzeitig verringert sich die Sichtbarkeit von Beschäftigtenim Betrieb. Home Office wird überwiegend von Frauengenutzt, daher kann sich dies negativ auf derenKarriereentwicklung auswirken. Junge Nachwuchskräfte fordern zunehmend unabhängig vonFamilienphasen im Sinne der Work-Life-BalanceMöglichkeiten zur Teilzeitarbeit ein. Dies führt in einigenBranchen – beispielsweise der Baubranche – zu erheblichenNachwuchsproblemen. Digitalisierung wird oftmals mit Erleichterung von Arbeit, mitKosteneffizienz und Beschleunigung assoziiert. Dabei wirdleicht übersehen, dass ein großer Veränderungsprozess nötigist, zum Beispiel in Hinblick auf neue Führungskompetenzenund -modelle. Gleichstellung ist kein prioritäres Ziel von Unternehmen. Esbraucht gute Ansatzpunkte, um Betriebe für dieses Thema zuöffnen und einen Wandel der Haltung zum Thema zuerzeugen.Veranstaltungsdokumentation - Fachtagung „Fachkräftesicherung für die Arbeitswelt der Zukunft“, Berlin 27. Februar 2019

11Die folgenden Ansätze zur Bewältigung der Herausforderungenwurden beschrieben: Betriebliche Strukturen müssen das mobile Arbeiten fürbeide Geschlechter fördern, um positive und negative Effekteder Flexibilisierung für Frauen und Männer auszubalancieren.In Betrieben sind bereits Tendenzen zu erkennen, dass dieThemen Work-Life-Balance und mobile Arbeitsmöglichkeitenvon den nachwachsenden Generationen bei derBerufsorientierung berücksichtigt werden, sodass Betriebeaus betrieblichen Notwendigkeiten der Fachkräftesicherungentsprechende Strukturen schaffen sollten. Betriebe sollten gemeinsam mit den Beschäftigten überThemen wie Teamkultur, neue Strukturen der Arbeit und desUnternehmens, persönliche Bedarfe undRahmenbedingungen, z.B. die Verfügbarkeit von Kita-Plätzen,sprechen und gemeinsam passende Lösungenweiterentwickeln. Beispielsweise kann eine hohe Transparenzund eine Veränderung des Bewusstseins der Arbeitgeber zuflexibleren Arbeitszeitmodellen hilfreich sein. Die Sozialpartner können durch die Akquise vonUnternehmen und den Transfer der Projektergebnisse alswesentliche Treiber des Themas in den Branchen und in derÖffentlichkeit auftreten. Indem diese von Anfang an inProjekten beteiligt sind, können diese Effekte optimal genutztwerden. Der Wandel der Arbeitswelt, die demografische Entwicklungund der Fachkräftemangel sowie die Chancen undHerausforderungen der Digitalisierung sind hilfreicheTüröffner, um Gleichstellung im Unternehmen zu befördern.Dokumentation der Präsentationen Forum IIVeranstaltungsdokumentation - Fachtagung „Fachkräftesicherung für die Arbeitswelt der Zukunft“, Berlin 27. Februar 2019

12Forum III: Weiterbildung in NetzwerkenReferenten: Karl Lehne, LVM -Landesverband Metall Niedersachsen/Bremen KomMet - Mehr Kommunikation im Metallhandwerk inNiedersachsen Arne Lehmann, Prospektiv - Gesellschaft für betrieblicheZukunftsgestaltungen mbH - ProDivers - Produktion und Diversität:Diversity Management als operative Führungsaufgabe Dr. H.-J. Dornbusch, INFA - Institut für Abfall, Abwasser undInfrastruktur-Management GmbH - ZUPA - ZukunftsfestePersonalentwicklung in der AbfallwirtschaftModeration: Mario Walter, Regiestelle „Fachkräfte sichern“In der anschließenden Diskussion mit Referenten und Gästenwurden vor allem die folgenden Herausforderungen diskutiert: Betriebsräte haben eine wichtige Rolle bei der Aktivierungder Beschäftigten für Weiterbildung, da diese vonBeschäftigten als vertrauensvolle Partner wahrgenommenwerden. Bei kleinen Unternehmen existieren allerdings oftkeine betrieblichen Interessensvertretungen. Je kleiner die Betriebe, desto weniger ist eine strukturierteWeiterbildungskonzeption vorhanden. Ohne einenüberzeugten Geschäftsführer ist Freistellung fürWeiterbildung nicht denkbar. 2-3 Tage oder gar Wochen-Schulungen sind meist mit dembetrieblichen Alltag nicht vereinbar. Die Qualifizierungensollten möglichst kleinteilig angeboten werden. In den KMU sind digitale, webbasierte Vernetzungen nochnicht im Alltag integriert, so dass hier die Bereitschaft zuneuen Formen des Lernens noch sehr gering ausgeprägt ist. Abstrakte Probleme erzeugen zu Beginn nur wenigBereitschaft zur Teilnahme an Weiterbildungen. Wenn die Qualifizierungen nicht auch als Freiraumempfunden werden können, besteht keine Bereitschaft freiund ungezwungen miteinander zu reden. Wichtig ist, den richtigen Türöffner zu finden hierbei könnenverpflichtende Themen wie „Gefährdungsbeurteilung zupsychischen Belastungen“ die Analysephase unterstützen.Veranstaltungsdokumentation - Fachtagung „Fachkräftesicherung für die Arbeitswelt der Zukunft“, Berlin 27. Februar 2019

13Die folgenden Ansätze zur Bewältigung der Herausforderungenwurden beschrieben. Betriebsräte oder Vertrauensleute aus der Belegschaft solltenvon Beginn an in die Planung einbezogen werden. Fördermittel haben durchaus Anreizeffekte. Die Kosten derFreistellung werden oft nicht in die Entscheidung miteinbezogen, so dass Kostenfreiheit empfunden wird. Wichtig ist eine zeitliche Gestaltung vom Konkreten zumAllgemeinen. Zu Beginn direkt an analysierten Problemenansetzen und diese als Handlungsempfehlungen aufarbeiten.Wenn dann die Weiterbildung als konkret handlungsleitendund umsetzbar erfahren wird, kann verallgemeinert und auchso abstrakte Themen wie Diversität erarbeitet werden. Vernetze Weiterbildungsangebote werden gerneangenommen, weil damit eine Distanz zum Alltag entstehtund über die Erfahrungen der Teilnehmenden aus anderenBetrieben neue Ideen erwachsen können. Wichtig ist zuerst ein Austausch auf möglichst gleichenHierarchieebenen, da dann die eigenen Probleme alspotentiell verallgemeinerbare erfahren werden können.Danach sollten dann alle Hierarchieebenen mit einbezogenwerden. Das Hauptgewicht der Qualifizierungen liegt in derbetrieblichen Kommunikation. Wie können gemeinsamProblemlösungen gefunden werden und wie kann dasVertrauen hergestellt werden, dass Probleme überhaupt aufden Tisch kommen.Dokumentation der Präsentationen Forum IIIVeranstaltungsdokumentation - Fachtagung „Fachkräftesicherung für die Arbeitswelt der Zukunft“, Berlin 27. Februar 2019

14Forum IV: Chancengleichheit betrieblich gestaltenReferenten: Sven Hock, ma-co - Wege zum Berufsabschluss –Personalentwicklung und Weiterbildung in Unternehmen derHafenwirtschaft der Hansestadt Hamburg, Dr. Barbara Salden, Qualifizierungsförderwerk Chemie GmbH KarisMa - Karriere 50plus - Mit Erfahrungen punkten! Oliver Jentsch, hiba impulse gmbh - MIGRA vital –Chancengleichheit für Beschäftigte mit MigrationshintergrundModeration: Marion Hackenthal, IG BCE Ulrich Nordhaus, Regiestelle „Fachkräfte sichernIn der anschließenden Diskussion mit Referentinnen, Referentenund Gästen wurden vor allem die folgenden Herausforderungendiskutiert: Einen großen Einfluss auf die Chancengleichheit hat dieVereinbarkeit von Arbeit und Leben. Chancengleichheit ist kein prioritäres Handlungsfeld fürbetriebliche Akteure. Daher braucht es Personen im Betrieb,die das Thema vorantreiben.Die folgenden Ansätze zur Bewältigung der Herausforderungenwurden beschrieben: Einführung von zielgruppenorientierten Personalentwicklungsstrukturen und -systemen (z.B. Leitbilder, Prozesse, etc.)zum Beispiel zur Vereinbarkeit Familie und Beruf, zurlebensphasenorientierten und altersgerechten Arbeitsgestaltung, zur Erhebung auch informell erworbenerKompetenzen Älterer und An-und Ungelernter Geschäftsführung, Betriebsrat und Beschäftigte müssengemeinsam an einem Strang ziehen, um Chancengleichheitvoran zu treiben. Verknüpfung von Weiterbildung und Laufbahnentwicklung Aufbauend auf informell erworbenen Kompetenzen müssenLernformate zum Beispiel für lernentwöhnte Beschäftigtegeschaffen werden, die Weiterbildung aus eigenem Antriebheraus ermöglichen Weiterbildung in Form von Schulungen, Workshops oderBranchendialoge ermöglichen, sodass Mitarbeitende fürWeiterbildung begeistert werden. Unterstützung durch die Sozialpartner bei der Akquise undder NetzwerkbildungDokumentation der Präsentationen Forum IVVeranstaltungsdokumentation - Fachtagung „Fachkräftesicherung für die Arbeitswelt der Zukunft“, Berlin 27. Februar 2019

15PODIUMSDISKUSSION UND ABSCHLUSS:ERGEBNISSE DER FACHTAGUNGPodiumsgäste : Mechthild Bayer, ver.di - Vereinte DienstleistungsgewerkschaftBundesvorstand Dr. Lena Behmenburg, Bundesvereinigung der DeutschenArbeitgeberverbände Marion Hackenthal, IG Bergbau, Chemie, Energie Dr. Michael Stahl, Arbeitgeberverband Gesamtmetall e.V.Moderation: Cornelia Schäff, Bundesministerium für Arbeit und SozialesIn einer abschließenden Runde reflektierte Cornelia Schäffgemeinsam mit den Podiumsgästen die Erkenntnisse aus denvier Foren und erörterte mit den Gästen mögliche Ansatzpunktefür eine zukünftige Gestaltung von Weiterbildung undGleichstellung, dies auch vor dem Hintergrund einer möglichenzukünftigen Richtlinie in diesem Themenfeld.Als mögliche Themen, die auch post 2020 eine Rolle im Rahmeneiner Förderung spielen könnten wurde u.a. die Begleitung derAuswirkungen der Digitalisierung und der Transformation derWirtschaft durch nachhaltige, moderne Weiterbildungsstrategien in Betrieben sowie des Kulturwandels in Verbändenund Betrieben benannt. Darüber hinaus bedürfte es Räume fürinnovative Maßnahmen, in denen auch gescheitert werden darf.Betont wurde außerdem, dass das Thema Gleichstellung alseigener Schwerpunkt beibehalten werden sollte, da es aufbetrieblicher Ebene nach wie vor zu wenig Stellenwerteinnehme. Arbeitszeitmodelle könnten hier ein hilfreicherAnsatz zur Öffnung von Betrieben für eine grundlegendereGestaltung von Chancengleichheit sein. Wichtig sei zudem, denTransfer weiter zu fördern und zu fordern, um die Nachhaltigkeitder entwickelten Ansätze zu sichern.Die Förderung sollte dabei im Sinne der Initiierung undErgänzung wirken und nicht dazu führen vorhandenebetriebliche Aktivitäten zu ersetzen. Die Verantwortung müssebei den betrieblichen Akteuren liegen, ihre BefähigungWeiterbildung und Gleichstellung zu gestalten könne jedochdurch Förderung unterstützt werden.Der sozialpartnerschaftliche Ansatz habe sich also alsErfolgsmodell bewährt um den demografischen undtechnologischen Wandel zu gestalten, und sollte im Rahmenmöglicher künftiger Förderungen erhalten bleiben.Veranstaltungsdokumentation - Fachtagung „Fachkräftesicherung für die Arbeitswelt der Zukunft“, Berlin 27. Februar 2019

16FAZIT„Fachkräftesicherung für die Arbeitswelt der Zukunft“ war nichtnur der Titel der Fachtagung, sondern auch der programmatische Ansatz, um die inhaltlichen Schwerpunkte der Sozialpartnerrichtlinie Revue passieren zu lassen. Aus den Projektpräsentationen wie auch aus den Beiträgen der Referentinnenund Referenten kristallisierte sich eine deutliche Botschaftheraus: Die starke Einbindung der Sozialpartner in die Gestaltung des ESF und die Einbindung betrieblicher Akteure in dieUmsetzung des Programms, fördert nicht nur Nachhaltigkeit,sondern trägt dazu bei, Kompetenzbedarfe und Entwicklungstrends in den Branchen zu erkennen. Dabei hat sich dasPartnerschaftsprinzip bewährt. Die Betriebsparteien, die Sozialpartner, sind die Branchenkenner. Sie wissen, welcheVeränderungen in den Unternehmen, in der Wirtschaft undArbeitswelt anstehen.Mit der ESF-Sozialpartnerrichtlinie wurde somit ein geeignetesInstrument entwickelt, welches nicht nur die Weiterbildungskultur in Unternehmen unterstützt, sondern parallel dazu auchdie gleichberechtigte Teilhabe von Frauen fördert und neueArbeitszeitmodelle erprobt. Damit flankiert das Programm dieInitiativen des BMAS zur integrativen Gestaltung des Wandelsder Arbeit, zur Fachkräftesicherung sowie zur Entwicklung einernationalen Weiterbildungsstrategie.In der zweiten Hälfte der Programmlaufzeit wird der Transfereine herausragende Rolle spielen. Die Vielfalt der Projekte lädtdazu ein, ihre Übertragbarkeit in andere Betriebe und Branchenzu prüfen. Es wird also darauf ankommen, die individuellgewonnenen Projekterkenntnisse in den jeweiligen Branchenvorzustellen, zu analysieren und Möglichkeiten zu eruieren,welche Elemente transferiert werden können.Gefragt nach den künftigen Handlungsoptionen und Schwerpunkten im Rahmen des ESF , wird der Auf- und Ausbau vonPersonalentwicklungsstrukturen weiterhin das zentrale Querschnittsthema sein. Wichtig ist dabei, dass alle Ebenen überGeschäftsführung, Personalleitung und Betriebsrat bis zu denFührungskräften und Beschäftigten einbezogen werden, auchum Vorbehalte abzubauen und die Projekte am konkretenBedarf auszurichten.Die künftige Ausrichtung muss noch stärker als bisher dieHandlungsfelder der Digitalisierung und neue Technologienaufgreifen. Die Auswirkungen betreffen Unternehmen allerBetriebsgrößen und Beschäftigte aller Qualifikationsebenen.Durch den Aufbau nachhaltiger Weiterbildungsstrukturen inUnternehmen und die Verbesserung der gleichberechtigtenTeilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt kann die Innovations- undWettbewerbsfähigkeit von Unternehmen gestärkt und dieberufliche Handlungskompetenz von Mitarbeiterinnen undMitarbeitern erhalten und gefördert werden.Veranstaltungsdokumentation - Fachtagung „Fachkräftesicherung für die Arbeitswelt der Zukunft“, Berlin 27. Februar 2019Fotos der Fachtagung Anna Weise

DOKUMENTATION DER FACHTAGUNG FACHKRÄFTESICHERUNG FÜR DIE ARBEITSWELT DER ZUKUNFT Zwischenbilanz der ESF-Sozialpartnerrichtlinie „Fachkräfte sichern: weiter bilden und Gleichstellung fördern"