Ein- Und Zwei-Jahres-Ergebnisse Der Zervikalen . - Uni-muenster.de

Transcription

Aus der Universitätsklinikum MünsterKlinik und Poliklinik für Allgemeine Orthopädie- Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. W. Winkelmann -Ein- und Zwei-Jahres-Ergebnisse der zervikalenBandscheibenersatzoperation unter Verwendung derBryan ProtheseINAUGURAL-DISSERTATIONzurErlangung des doctor medicinaeder Medizinischen Fakultät derWestfälischen Wilhelms-Universität Münstervorgelegt vonAnna M. Zielkeaus Marburg2008

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Fakultät der WestfälischenWilhelms-Universität Münster

Dekan: Univ.-Prof. Dr. med. Volker Arolt1. Berichterstatter: Priv.-Doz. Dr. med. Viola Bullmann2. Berichterstatter: Prof. Dr. med. Henry HalmTag der mündlichen Prüfung: 04.06.2008

Aus dem Universitätsklinikum MünsterKlinik und Poliklinik für Allgemeine OrthopädieDirektor: Univ.-Prof. Dr. med. W. WinkelmannReferent: Priv.-Doz. Dr. med. V. BullmannKoreferent: Prof. Dr. med. H. HalmZusammenfassung:Ein- und Zwei-Jahres-Ergebnisse der zervikalen Bandscheibenersatzoperation unter Verwendungder Bryan ProtheseVerfasser: Zielke, Anna MagdalenaEinleitung: Die Behandlung von zervikalen Bandscheibenleiden mittels Diskektomie ohne Fusion[5, 16, 60] erbrachte klinisch kein zufrieden stellendes Ergebnis. Als Konsequenz ,welchezusymptomatischenAnschlussdegenerationen führen können. Zunehmend kommen deshalb künstliche Prothesen zurAnwendung [47]. In dieser Arbeit wurden 21 Patienten nach Diskektomie und Implantation einerBryan Bandscheibenvollprothese thesein21einkonsekutive(n 18)Patientenoderzweiwurden(n Nachuntersuchungen fanden unmittelbar prae- und postoperativ und 6, 12 und 24 e wurde gemessen. Um die sagittale Ebene lokal sowie global zu analysieren,wurde zusätzlich das Profil des endoprothetisch versorgten Segmentes über zwei und über vierWirbelkörper gemessen. Subjektive Beschwerdesymptomatik wurde standardisiert erfasst (NDIund Odom s Kriterien) und statistisch analysiert.Ergebnisse: Nach 24 Monaten fand sich im Vergleich zu praeoperativ eine Zunahme derBeweglichkeit in 18 der 24 operierten Segmente mit einem signifikant erhöhten Durchschnittswertvon 3,6 (p 0,05). Bei 19 von 21 Patienten zeigte sich eine Verbesserung des NDI umdurchschnittlich 23,5 % (p 0,0001). Kranial des operierten Segmentes nahm die Beweglichkeitnach 2 Jahren tendenziell (p 0,0615) zu, während sich kaudal keine signifikante Zunahme zeigte.Das endoprothetisch versorgte sowie die jeweils benachbarten Segmente, zeigten im Vergleich zuden praeoperativen Ausgangwinkeln keine signifikante Veränderung der sagittalen Ebene.Schlussfolgerung: Vergleichbar den Ergebnissen nach Diskektomie und Fusion kam es nachDiskektomie und totalendoprothetischem Ersatz zur Zustandsverbesserung. Jedoch ist nichtersichtlich, inwieweit die erhaltene Beweglichkeit die Beschwerdebesserung beeinflusst. Diegeringe Patientenzahl, der kurze Beobachtungszeitraum sowie fehlende Kontrollgruppen lassennoch keine eindeutige Aussage über die W ertigkeit der totalendoprothetischen Versorgung treffen.Bisherige Ergebnisse sind viel versprechend.Tag der mündichen Prüfung: 04.06.2008

gewidmet meinem Vater

Ein- und Zwei-Jahres Ergebnisse der zervikalenBandscheibenersatzoperation unter Verwendung der BryanBandscheibenprothese1.Die EinleitungS.11.1Zur Pathogenese der degenerativen Bandscheibenschäden (DDD)S.11.2Zur bisherigen operativen BehandlungS.21.3Zu den Ergebnissen der bisherigen operativen BehandlungS.22.Die zervikale ArthroplastieS.52.1Zur Geschichte der Endoprothetik allgemeinS.52.2Zur Geschichte der BandscheibenprothesenS.63.Die Physiologie der HalswirbelsäuleS.83.1Zur AnatomieS.83.2.Zum Bewegungssegment nach JunghannsS.103.3.Zu den biomechanischen Besonderheiten der HalswirbelsäuleS.103.4.Zur Pathophysiologie der BandscheibendegenerationS.113.5.Zum Profil der HalswirbelsäuleS.114.Die Bryan BandscheibenprotheseS.124.1Zur Konstruktion, Biomechanik und BioverträglichkeitS.134.2Zur OperationS.165.Die Patienten der StudieS.185.1Zu den allgemeinen UntersuchungenS.195.2Zu den generellen und praeoperativen UntersuchungenS.195.3.Zur RöntgenuntersuchungS.195.3.1 Zum Allgemeinen über Röntgenuntersuchungen der HalswirbelsäuleS.195.3.2 Zur Standardaufnahme der HalswirbelsäuleS.205.4Zur Messung an den Röntgenaufnahmen der HalswirbelsäuleS.205.5Zu den zusätzlichen MessungenS.205.6Zu den speziellen UntersuchungenS.215.6.1 Zum Range of Motion – ROMS.215.6.2 Zum Neck Disability Index – NDIS.225.6.2.1Zur Auswertungsmethode für den NDIS.225.6.2.2Zu dem FragebogenS.235.7Zu den Odom s KriterienS.265.8Zur StatistikS.27

6.Die ErgebnisseS.276.1Zu den RöntgenergebnissenS.286.1.1 Zum ROM im operierten SegmentS.286.1.2 Zum ROM oberhalb und unterhalb der Prothese im VergleichS.306.1.3 Zu den Ergebnissen am endoprothetisch versorgten SegmentS.336.1.4 Zu den Ergebnissen am HWS-Abschnitt von vier WirbelkörpernS.356.2Zu den Ergebnissen des NDIS.386.3Zu den Ergebnissen der Odom s KriterienS.407.Die FallbeispieleS.417.1Zum Beispiel 1S.417.2Zum Beispiel 2S.447.3Zur klinischen Wertung beider BeispieleS.468.Die KomplikationenS.478.1Zur postoperativ reversiblen TetraplegieS.478.2Zum Rezidiv der vorbestehenden BeschwerdenS.488.3Zu den SpätkomplikationenS.489Die DiskussionS.489.1Zur Belastbarkeit der Bryan ProtheseS.489.2Zur Biomechanik der Bryan ProtheseS.499.3Zu den MessergebnisseS.509.4Zum Profil der HWS nach prothetischer VersorgungS.519.5Zu den KomplikationenS.529.6Zur Vergleichbarkeit der OperationsverfahrenS.539.7Zur 012LebenslaufS.61

1. DIE EINLEITUNGEtwa ein halbes Jahrhundert ist seit den ersten Beschreibungen vordererzervikaler Diskektomie durch Bailey und Bagley, Cloward sowie Robinson undSmith vergangen [5,16, 60]. Bis heute gelten diese anterioren Zugänge nerativenBandscheibenleiden, der durch Kompression bedingten neuralen ückenmarkesundderNervenwurzeln [29].Die zunächst durchgeführten kompletten Diskektomien ohne begleitendeFusion waren klinisch nicht zufriedenstellend. Ein Teil der operierten Patientenentwickelte Rezidive ihrer Schmerzen oder Nachfolgedeformitäten durch dieletztlich destabilisierende Dekompression. Daraus resultierte die weitgehendstandardmäßige Routineoperation der intersomatischen Fusion mit oder ohneSpanimplantationen zur Auffüllung des Defektes nach einer Diskektomie. Inneuerer Zeit finden künstliche "Spacer" zur Aufrechterhaltung der Distanzzwischen den Wirbelkörpern [47] erfolgreiche Anwendung, bis hin zumVersuch, die Beweglichkeit durch Bandscheibenprothesen zu erhalten.In Anbetracht dieser Ergebnisse wurden differenzierte Behandlungsstrategienentwickelt. Diese beinhalten:1) Begrenzung der Länge zervikaler Fusionen,2) Prophylaktische physikalische Behandlung der Frühsymptome,3) Verwendung nicht destabilisierender Methoden zur Dekompression undschließlich4) die Bandscheibenarthroplastien [71].Aus letzteren resultiert die Fragestellung dieser Untersuchung.1.1 Zur Pathogenese der degenerativen Bandscheibenschäden (DDD)Nach einem einmal entstandenen Schaden an der zervikalen Bandscheibe, hmälertemBandscheibenraum oder durch Nucleus pulposus Prolaps, entwickelt sich derweitere Verschleiß im betroffenen Intervertebralraum schneller als in dernormalen Altersgruppe. Als biomechanische Folgen entstehen neben dem1

olsterfunktionundSubluaxtionen mit Spinalkanalstenosen bei Minderung der Durchblutung [1].Als Folge dieser Pathomechanismen entstehen Schmerzen mit und ohneBehinderung, neurologische, segmentäre oder radikuläre Beschwerden [28].Diese Erkrankungen unterschiedlichen Ausmaßes, unterschiedlicher Geneseund Gravidität werden zusammengefaßt als Radiculo- oder Myelopathienbezeichnet.Im angloamerikanischen Medizinsprachgebrauch werden sie summarisch als"Degenerative Disc Disease" – DDD – bezeichnet [4, 12, 52, 53, 67, 74].Die oben genannten Vorgänge führen je nach Art und Lokalisation zurIndikation das entsprechende Bewegungssegment zu entlasten.1.2 Zur bisherigen ekonservativenBehandlungsmethoden der medikamentösen Therapie und der Spektren derPhysiotherapie zu diskutieren. Dies ist jedoch nicht Thema der aleDurchführungeinerintersomatischen Fusion, zu diskutieren, insbesondere im Hinblick auf Folgenderselben, welche später die Indikation zu Weiterungen und unter Umständeneiner Bandscheibenprothese ergeben könnten.Bis heute gilt nach Baba et al. die anteriore zervikale Diskektomie mit Fusion("Anterior Cervical Discectomy and Fusion" ACDF) allgemein noch als iverBandscheibenleiden [4].1.3. Zu den Ergebnissen der bisherigen operativen ieirrelevant.Diedekoprimierende zervikale Diskektomie unterbricht die Kontinuität der vorderenorganischen Abstützung durch die Reihe der Wirbelkörper. Dadurch entstehtzunächst Instabilität, selbst Quelle hinreichender Beschwerden. Ebenso wiebei der reinen Nukleotomie führt dieser Materialdefekt zur Verschmälerung des2

Intervertebralraumes und zur Instabilität im Segment. Nachfolgend können sichunter anderem Radiculo- und Myelopathien ergeben [2, 4, 57, 68, 74].Obwohl die reine Diskektomie im betroffenen Intervertebralraum vielenPatienten mit "axialen Nackenschmerzen" Erleichterung schafft, hat es sich inder Mehrzahl aller Fälle als notwendig erwiesen, nachfolgend der als"potenzielle iatrogene Instabilität" bezeichneten Symptomatik, im Bereich derangrenzenden Segmente durch deren Fusion vorzubeugen [71].Dem folgte alsbald die Vorstellung, dass eine anteriore zervikale Fusion rfortschreitenderDegeneration der benachbarten Bewegungssegmente der Wirbelsäule führenkönne. Dieser Pathomechanismus wurde durch biomechanische Studienbestärkt [4, 21,74].Solche symptomatischen Anschlussdegenerationen werden mit einer Rate von2-3 % Zunahme pro Jahr belegt, und bis zu 15 % dieser Patienten benötigenzur Beseitigung der hierdurch bedingten Beschwerden eine stabilisierendeFolgeoperation [4, 15, 35, 36].Weiterhin wenig bedacht ist in der zugänglichen Literatur, dass der ,dem"alignment"derWirbelsäule, zur Folge haben muss. Verminderung der physiologischen,segmentären Lordose bis hin zur Kyphose ist die zumeist wenig beachteteFolge [34, 55, 56, bildervonOperationsergebnissen nach ventraler Dekompression mit Implantation vonKnochenmaterial zur Fusion durchgesehen und dort fast ausnahmslos keineLordoseeinstellung im fusionierten Bezirk gefunden [4, 20, 35, 36, 63, 74]. Beider Implantation von Fibulaspänen als Platzhalter ist die Delordosierunggewissermaßen vorgeplant [35].Selbst bei Interposition von Cages sindeindeutige Steilstellungen mit Hypolordose unübersehbar [32]. Ganz analogeBeobachtungen werden sehr differenziert von G. Pickett berichtet [56].3

Dass diese iatrogenen Fehlformen an der Halswirbelsäule nicht ohne solchefunktionellen und pathologischen Folgen bleiben, geht am deutlichsten aus derArbeit von Baba selbst hervor [4]. Am häufigsten wird die Hypermobilität ebralraumesbeschrieben. Es ist zu fragen, inwieweit dies nur als folgendenBeschwerdenbezeichnetwerden kann.Baba berichtet über ein Kollektiv von 106 Patienten, die der ACDF unterzogenworden waren:praeoperativ wiesen vier Patienten eine Kyphose, 26 eineLordose, die restlichen ein "normales" Profil auf [4]. Die praeoperativkyphotischen Patienten wiesen nach der Fusion, ebenso wie die praeoperativlordotischen Patienten, ein "normales" Profil auf. Von den praeoperativ„normalen“ Patienten gingen jedoch zehn postoperativ in eine Kyphose über.Baba betont, dass kein signifikanter Zusammenhang des Auftretens reibtaberSpinalkanalstenoseoberhalb einer solchen Fusion. Diese entstand durch einen Gleitvorgang desWirbels nach Überstreckung (Hypermobilität) des Gelenkes oberhalb derFusion und führte, je nach dorsal gerichteten Gleitzustand, zu entsprechendenAusfällen.Die entsprechende Darstellung im Röntgenbild lässt die Steilstellung alsDelordosierung des fusionierten Bezirks über drei Wirbelkörper (C5-C7) unddarüber die knickartige Abweichung der Wirbelsäule nach dorsal deutlicherkennen, wobei dieser "kompensatorische" Knick im Myelogramm mit etwa 37Grad messbar ist. Das dürfte dem Verlust an Lordose in den operierten dreiSegmenten entsprechen.Natürlich ist eine solche iatrogene Kyphose selbst zunächst weitgehendirrelevant, zumal wenn sie durch Fusion fixiert ist. Aber die Folge der enBezirksistebendiekompensatorische Hyperlordose im oben angrenzenden Segment, und die führtgelegentlich zu der beschriebenen Instabilität. Diese kausale Zuordnung desVorgangs als Folge der Aufhebung der Lordose nimmt Baba nicht vor.4

Auch Herrmann und Geisler [34] sind sich der Relevanz der Lordoseerhaltungbewußt. Sie berichten über gute Einstellungen der Halswirbelsäulenlordose beioperativer Versteifung in Fällen von DDD. Die Lordose wurde dabei überventrale Platten aufrechterhalten.Ob durch dieses Anschlussdegenerationen verhindert wurden, steht noch zurBeantwortung aus.2. DIE ZERVIKALE ARTHROPLASTIEZervikale Arthroplastie zur Behandlung der DDD stellt eine viel versprechendeAlternative zur vorderen zervikalen Fusion dar. Ziel dieses Eingriffes ist es,neben der Behebung der vorherigen beschwerdebereitenden Symptome, dieMinderung des Risikos der Anschlussdegeneration beider Nachbarsegmentesowie die Wiederherstellung der Beweglichkeit im betroffenen Segment durchdie Beweglichkeit in der Prothese.Der künstliche zervikale Bandscheibenersatz ist wachsendes Arbeitsgebiet vonForschung und Praxis. Eine zunehmende Anzahl klinischer senwurdenimletztenJahrzehntveröffentlicht [2, 3, 8, 13, 18, 19, 21, 23, 26, 27, 31, 35, 36, 45, 47, 50, 51, 56,57, 58, 63, 64, 65, 68, 74].2.1 Zur Geschichte der Endoprothetik allgemeinDas Interesse an der Endoprothetik für die Halswirbelsäule beruht auf denErfahrungen aus der Endoprothetik der großen Körpergelenke.Bis in die 50er Jahre war z.B. die operative Hüftgelenksversteifung dieBehandlung der Wahl ("gold standard of treatment“) [41] für schwerezerstörende Arthrose, Folgen der Hüftdysplasien und andere krankhafteBeeinträchtigungen des Gelenks. Obwohl dies ein effektives Verfahren zurunmittelbaren Behandlung des Schmerzes darstellte, kam es durch lungnachfolgendzuschweren Behinderungen der Funktionen des täglichen Lebens beim Gehen,Sitzen, Schlafen usw. Auch kam es zu Entwicklungen im Sinne der heute als"Anschlussdegeneration“ bezeichneten Veränderungen in den unphysiologisch5

iederLendenwirbelsäule, den Kniegelenken und dem gegenseitigen nschließlichzurEntwicklungkünstlicher Teil- oder Totalendoprothesen, welche heute den Standardeingrifffür alle großen Gelenke darstellen.Zwischenzeitliche Versuche z.B. mit Umstellungsosteotomien (Varisierung oderValgisierung in Knie und Hüfte mit und ohne Rotationskorrekturen) zurVeränderung der Belastungszonen im Gelenk oder Beckenosteotomien zurSchaffung besserer Gelenkabstützungen folgten eher einfachen mechanischenVorstellungen für eine funktionelle Gelenkverbesserung, waren jedoch nichtvon dauerhaftem Erfolg.Über einfache alleinige Hüftkopfersatzimplantate [42, 46] bis zu den heutigenModellen war es ein weiter Weg der Entwicklung, auf dem sich die Zeitkomplikationsloser Nutzbarkeit von wenigen auf über 30 Jahre lastik der großen Gelenke ist zum Standard der orthopädischenChirurgie geworden.2.2 Zur Geschichte der BandscheibenprothesenAn der Wirbelsäule hat eine vergleichbare Entwicklung zu den heutigenEntwicklungsergebnissen der Bandscheibenprothesen geführt. Die Behandlungder beschwerdebereitenden Bandscheibendegeneration erfolgte bisher amerfolgreichsten durch intersomatische Fusion. Heute kommt hier eine ietherapeutischeZielsetzung blieb jedoch gleich: Schmerzbeseitigung und Wiederherstellungder anatomischen und funktionellen Verhältnisse.Die anfängliche Zurückhaltung in Entwicklung und Anwendung beruht auf dengrößeren Schwierigkeiten und Risiken am Achsenorgan. Im Gegensatz ,Band-und6

icheWirbelsäuleschwierigeralsdasEinzementieren der großen Kunstgelenke der Extremitäten.Die Anforderungen an das Biomaterial für die Prothese sind hoch, denn diekleinen Belastungszonen der Bandscheibenprothesen müssen über großeHebelarme einwirkende Kräfte aushalten. Das Material sollte eine Lebensdauervon 30 bis 50 Jahren haben und dazu einer Belastung von 10 bis 30 MillionenFlexions- und Extensionszyklen standhalten können.Frühe Versuche einer zervikalen Arthroplastie schlugen fehl. NachdemCleveland 1955 [15], und Hamby und Glaser 1959 [33] erstmals Acrylmaterialzum Bandscheibenersatz dort injizierten und später Nachemson 1962 [49, 50,51] an Leichenpräparaten Siliconinjektionen in degenerierte Bandscheibenvornahm undBelastungsversuche durchführte, wurden die weltweit erstenImplantationen lumbaler und zervikaler Bandscheibenprothesen 1964/65 durchFernström [25] beschrieben. Seine Prothese war ein "stainless steelball", eineKugel aus nichtrostendem Metall, die er in den von Nucleusmaterial entleertenIntervertebralraum implantierte. An der Lendenwirbelsäule kam die Kugel beiinsgesamt 191 Bandscheiben und an der Halswirbelsäule bei 13 Bandscheibenzur Anwendung. Trotz der "pionierartigen Versuche" [71] und anfangsbefriedigender Ergebnisse musste Fernström zugeben, dass seine Operationennicht in der Lage waren, den klinischen Anforderungen zu entsprechen [49].Die Kugel entwickelte Hypermobilität mit Praedisposition zur Migration in diebenachbarten Wirbelkörperendplatten. Das führte zur Aufgabe dieser Methode[25, 31 41, 61].Zu Beginn der 80er Jahre (1982) wurde die SB Charité Prothese für dielumbale Wirbelsäule in Berlin entwickelt [11]. Die Prothese besteht aus zweiChrom-Kobalt-Endplatten mit dazwischen liegendem Polyethylenkern und istseit 1987 erfolgreich in ihrer dritten Generation (DePuy Spine) erhältlich. Sieist zur Zeit die am meisten implantierte Bandscheibenprothese [31, 41].1989 entwickelte Marnay die ähnlich konstruierte ProDisc Prothese für dielumbale Wirbelsäule [44]. Marnay veröffentlichte hierzu gute und sehr guteErgebnisse in mehr als 70 % aller operierten Fälle [31, 41].7

Die Ergebnisse der ausgereifteren künstlichen, lumbalen Ersatzgelenke gabenAnlass zur Entwicklung auch zervikaler Bandscheibenprothesen.1989 begann Cummins am Department of Medical Engineering am FrenchayHospital, Bristol, United Kingdom mit der Entwicklung einer zweiteiligen,stählernen zervikalen Bandscheibenprothese [17]. Diese, damals "Bristol Disc"genannte Prothese, ist heute nach Modifikationen als "Prestige" Prothesebekannt.Danach haben verschiedene andere Entwicklungen das Stadium des klinischenTests erreicht.So hat Vincent E. Bryan Ende der 90er Jahre die nach ihm benannte "BryanProthese" entwickelt teilprothesenErwähnung finden. Diese konzentrieren sich auf den Ersatz des Nukleus. Siesetzen einen intakten Anulus fibrosus voraus und sind von dorsal zuimplantieren. Nach Guyer hat, wie bei den Totalprothesen der Bandscheibenauch die Entwicklung dieser Teilprothesen in den letzten Jahren zugenommen[31].Inzwischen finden mehrere unterschiedliche Konstruktionen und Vorstellungensolcher Endoprothesen in Europa Anwendung, während in den USA größereRestriktionen durch die FDA (Food and Drug Administration) bestehen.Abgeschlossen ist die Entwicklung sicher nicht. Noch im Oktober 2003bezeichnete Cunningham die Bandscheibenarthroplastie als "die nächsteHürde der operativen Behandlung der Bandscheibendegeneration" [18].3. DIE PHYSIOLOGIE DER HALSWIRBELSÄULE3.1 Zur Anatomie der HalswirbelsäuleDie Halswirbelsäule besteht aus sieben Halswirbelkörpern mit acht hKopfundNackenmuskulatur, C4 Nackenmuskulatur und Diaphragma.8

h1)KleinfingerTeilRingfingerTabelle 1: Motorische Versorgung Hals undKleinfingerballen (Trizeps)FingerbeugerInterosseiobere aumenballenTrizepsPronator Teres1,dieTrizepssensibledesBewegungssegmentes aus der nachfolgenden Grafik von Schiebler, Schmidtund Zilles [62] zu entnehmen (Grafik 1).Grafik 1: Sensible Versorgung aus den HWS-SegmentenSchmidt, Zilles: Anatomie, Springer Verlag)(aus Schiebler,9

3.2 Zum "Bewegungssegment" nach JunghannsDas Bewegungssegment ist die kleinste Funktionseinheit der Wirbelsäule [38].Es ist identisch mit der "Functional Spinal Unit" (FSU) im angloamerikanischenSprachgebrauch und besteht aus zwei Wirbelkörpern mit Wirbelbogen und denpaarigen "kleinen" Wirbelgelenken, der dazwischen liegenden Bandscheibesowie dem zugehörigen Bandapparat.Die Bandscheibe ist das Bindeglied zwischen den einzelnen Segmenten. tdurchihreVerwachsung mit den Wirbelkörperabschlussplatten sowie dem vorderenLängsband die Stabilität der Wirbelsäulekontinuität sicher.Die Bandscheibe ist einer Vielzahl von Kräften ausgesetzt. Zusammen mit denFacettengelenken überträgt sie die Belastung durch die Bewegungen destäglichen Lebens (Hirsch 1955) [37]. Krismer et al. zeigten, dass geninderLendenwirbelsäule von größerer Bedeutung ist, als die Facettengelenke ndkombinierteBewegungen, die in der Bandscheibe zu einer Kombination von Zug-,Kompressions- und Scherbelastung führen.3.3 Zu den biomechanischen Besonderheiten der HalswirbelsäuleDie beiden oberen Kopfgelenke sind zu ca. 60 % für die Rotationsfähigkeit derHWS verantwortlich. Im Vordergrund steht hierbei das C1/C2 Gelenk, aus dem90 % der Rotationsbeweglichkeit stammen. Das C0/C1 ist ferner wesentlich fürdie Flexion/ Extension verantwortlich.Insgesamt gibt es für Bewegungsausfälle in einem Segment der gesundenBandscheibe ausreichend Kompensationsmöglichkeiten.10

SegmenthöheFlex./Ext.SeitneigungRotationROM (kombin.)ROM (einseitig)ROM (einseitig)C0/C125 5 5 C1/C220 5 40 C2/C310 (5-16 )10 (11-20 )3 (0-10 )C3/C415 (7-26 )11 (9-15 )7 (3-10 )C4/C520 (13-29 )11 (0-16 )7 (1-12 )C5/C620 (13-29 )8 (0-16 )7 (2-12 )C6/C717 (6-26 )7 (0-17 )6 (2-10 )C7/C89 (4-7 )4 (0-17 )2 (0-7 )Tabelle 2: Biomechanisch Besonderheiten der HWS [73]3.4 Zur Pathophysiologie der BandscheibendegenerationDegenerative Veränderungen der Bandscheiben sind ein physiologischerProzess des Alterns. Noch ist unklar in welchem Ausmaß die DegenerationAuslöser von Schmerzen ist [1, 52, 53].Denn jenseits des 30. Lebensjahres gibt es fast keine Wirbelsäule beimMenschen, die nicht schon degenerative Veränderungen aufweist [67]. Jedochnicht alle Menschen über 30 haben Wirbelsäulenbeschwerden.3.5. Zum Profil der Halswirbelsäule"Jeder hat das Recht auf sein persönliches Profil". Dieser Satz Stagnaras [66]bei Beurteilung der Grenze zwischen normalem und pathologischem Profil(Kyphose oder Lordose) sei den kritischen Betrachtungen zur Befunderhebungan der Wirbelsäule generell und an der Halswirbelsäule speziell vorangestellt.Stagnara kennzeichnet damit die Problematik nicht nur der Grenzen zwischenkrankhaftem und krankem Profil der Wirbelsäule, sondern weitergehend auchdie operativen Indikationen.Wissenswerte Faktoren bei der HWS sind u.a.:Die Halswirbelsäulenlordose ist bei Männern stärker ausgeprägt als bei Frauenund unterliegt einer natürlichen Schwankungsbreite, abhängig von Alter undGeschlecht.Das Profil der Halswirbelsäule schwankt schon im Sitzen zwischen strafferHaltung („jetzt mal schön grade sitzen“), bequemem Sitzen und entspanntem11

Sitzen. Dabei kann aus einer Kyphose eine Lordose werden. Offensichtlichbleibt aber das persönliche "Haltungsstereoptyp" des Menschen [30] über dasLeben erhalten.4. DIE BRYAN PROTHESEGegenstand derhiervorgelegten Untersuchungen istdiesog."BryanProthese". Sie wurde von Vincent E. Bryan, Neurochirurg in Washington, USAin den frühen 90er Jahren entworfen.Nach Jahren der Entwicklung und Forschung wurde die erste Prothese imJanuar 2000 implantiert [8], und seither sind mehr als 5000 Patienten mitdieser Prothese versorgt worden.Anfängliche Studien in Europa, welche die Arthroplastie mit der -uphinsichtlichneurologischer Erholung segmentärer Halswirbelsäulen-Beschwerden zunächstvergleichbare Ergebnisse [57].Goffin und seine Mitarbeiter veröffentlichten 2002 Ergebnisse einer Studie überdie Bryan Prothese, deren klinische Erfolgsrate entsprechend der Odom sKriterien nach sechs Monaten bei 86 % und sowohl nach einem Jahr als auchnach zwei Jahren bei 90 % lag. Dabei wurden Ergebnisse von „fair“ bis„excellent" als Erfolge gewertet. Die Prothese war bei allen Patientenbeweglich, und es gab keine Anzeichen von Dislokation oder anderenSchwierigkeiten [26, 27].Offensichtlich werden zum endgültigen Vergleich der Bandscheibenprothesemit der ACDF Langzeitergebnisse von 5 bis 10 Jahren benötigt, um dieerwartete Überlegenheit der zervikalen Arthroplastie gegenüber der früherenArthrodese zu belegen [71].12

4.1 Zur Konstruktion, Biomechanik und BioverträglichkeitAbb. 1a: Bryan ProtheseDiezervikaleBryanAbb. 1b: Computermodell der Endplatten mit dazwischen liegendem Polyurethankern ("Nukleus"). Sie in einen dünnenPolyurethanmantel (ähnlich dem Material der Rollen von Rollerblades) gehüllt,welcher die zwei Metallplatten verbindet und impermeabel ist ix,verhindertdasEinwachsen von Fibroblasten und fängt alle Abnutzungspartikel auf, welchedurch die funktionelle Bewegung entstehen könnten. Zusätzlich dient er alsBaugerüst für die Bildung einer bindegewebigen Pseudokapsel um dieProthese, wie in Tierversuchen nachgewiesen wurde.Die innere Matrix der Prothese wird während der Operation vor derImplantation mit einer Salzlösung durch eine kleine Öffnung in der Endplattegefüllt. Diese wird danach verschlossen.Die äußere Oberfläche jeder Endplatte ist porös (Poren von etwa 5 – 60 µmDurchmesser), dadurch reibungsresistent und besteht aus 250µm großenTitaniumperlen. Diese Titaniumendplatten gewähren nach Entfernung derEndplatten des oberen und unteren Wirbelkörpers großflächigen Kontakt mitder vitalen Spongiosa. Die innere Oberfläche der Prothesenendplatten, die anden Polyurethankern grenzen, ist glatt. Eine Lippe an der vorderen Flächejeder Endplatte dient der instrumentellen Handhabung der Prothese bei derImplantation.13

Die Prothese ist derzeit in fünf Größen von 14 bis 18 mm Durchmessererhältlich und seit September 2000 in Europa zugelassen. Bis 2004 gab eskeine Zulassung durch die FDA in den USA.Die Beweglichkeit findet am Berührungspunkt zwischen der inneren Oberflächeder Endplatte und dem Polyurethankern statt. Im nicht implantierten Zustandist die Prothese in Struktur und Beweglichkeit achsensymmetrisch. wirkendenNeigungsbelastungen ändern.Die Bewegung findet in einer "semibeschränkten" Weise an einer nichtfestgelegten Rotationsachse statt, wobei Flexion, Extension und lateraleBeugung dieselbe Gradzahl (11 ) und bis 2 mm Translation zulassen.2003 wurden sechs solcher Prothesen, die nach einer Tragezeit vondurchschnittlich 11,6 Monaten explantiert wurden, von Anderson analysiert. Inallen Fällen war der exponierte Teil der Prothese von nichtentzündlichemfibroblastischem Gewebe umwachsen. Messungen der Prothesenhöhe warenpräoperativ nicht vorgenommen worden, aber alle untersuchten Prothesenhatten nach der Explantation eine Höhe, die auch den neu hergestelltenProthesen entsprach [3]. Es gab also keine signifikante Abnutzung nach etwaeinem Jahr.Auch im umgebenden Gewebe wurden keine metallischen Partikel, wohl aberpolymere Partikel aus nukleärer Abnutzung gefunden. Makrophagen undFremdkörperriesenzellen hatten polymere Partikel phagozytiert. Anzeichen fürOsteolyse fanden sich nicht [71].2003 wurden dann bei in vitro Untersuchungen neun Prothesen in 37 Celsiuswarmen, bovinem Serum getestet; sechs davon unter Last und FlexionsExtensions-Bewegung sowie axialem Druck in 10 Millionen Zyklen, demnachalso unter Simulation von 10 Jahren Belastung im Menschen. Drei Prothesenwurden nur unter Druck in einem Halswirbelsäulensimulator mit ebenfalls zehnMillionen Zyklen getestet [3].14

Prothesen, die nur

9.1 Zur Belastbarkeit der Bryan Prothese S.48 9.2 Zur Biomechanik der Bryan Prothese S.49 . "Degenerative Disc Disease" - DDD - bezeichnet [4, 12, 52, 53, 67, 74]. . ("Anterior Cervical Discectomy and Fusion" ACDF) allgemein noch als die Methode der Wahl zur Behandlung zervikaler, degenerativer .