102. Sitzung - Deutscher Bundestag

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Deutscher Bundestag — 102. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1950102. SitzungBonn, Mittwoch, den 15. November 1950.3715D, 3750CGeschäftliche MitteilungenEintritt des Abg. Lampe in den Bundestag 3716AWiedergenesung des Abg. Dr. Gülich . . . 3716AAutounfall des Abg. Grafen von Spreti . . 3716AZustimmung des Bundesrats zumGesetz über den Verkehr mit Zucker . . 3716BGesetz über Rheinschifferpatente . . . . 3716BVerlangen des Bundesrats auf Einberufungdes Vermittlungsausschusses hinsichtlichdes Gesetzes über die Einrichtung einesBundeskriminalpolizeiamtes (Nr. 1598 derDrucksachen)3716BAnfrage Nr. 126 der Fraktion der BP betr.Umsiedlung von Heimatvertriebenen ausden Ländern Bayern, Niedersachsen undund Schleswig-Holstein (Nrn. 1456 und1597 der Drucksachen) 3716BAbsetzung der Interpellation der Fraktionender BP, des Zentrums und der WAV betr.Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer (Nr. 1429 der Drucksachen) von derTagesordnung3716CAntrag der Fraktion der KPD auf Aufsetzung der Beratung des Antrags betr.Disziplinarverfahren gegen einen Beamten der in Kiel stationierten Wasserpolizei wegen Vorgehens gegen einenTanker unter der Fahne von Hondurasauf die Tagesordnung 3716CBeratung der Interpellation der Fraktionender CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP, desZentrums und , der WAV betr. GesetzNr. 35 der Alliierten Hohen Kommission(IG-Farben-Gesetz) (Nr. 1368 [neu] derDrucksachen) in Verbindung mit derBeratung des Antrags der Fraktion derKPD betr. IG-Farbenindustrie (Nr. 14723716Cder Drucksachen)3716DWagner (SPD), InterpellantMüller (Frankfurt) (KPD), Antrag3717CsteilerDr. Erhard, Bundesminister für3718DWirtschaftDr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 3719CBeratung der Interpellation der Fraktionendes Zentrums, der BP und der WAV betr.Gesetzgebungswerk für Notstandsgebiete3715in der Bundesrepublik Deutschland (Nr. . . . 3719D1408 der Drucksachen)Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Interpellant 3719DDr. Erhard, Bundesminister für3721BWirtschaft3723A, 3727Dvon Thadden (DRP)3723BDr. Solleder (CSU)3724AKemper (CDU)3724DHöhne (SPD)3725CCramer (SPD)3725DJacobs (SPD)3726BEwers (DP)3726DStegner (FDP)3727BDr. Edert (CDU-Hosp.)3728AVolkholz (BP)3728CDr. Hamacher (Z)Beratung der Interpellation der Fraktionder SPD betr. Hausbrandversorgung (Nr.3728C1476 der Drucksachen)Dr. Koch (SPD), Interpellant . 3728D, 3737CDr. Erhard, Bundesminister für3733CWirtschaft3736CPaul (Düsseldorf) (KPD)Beratung der Interpellation der Fraktionder FDP betr. Spruchsenat beim Hauptamt für Soforthilfe (Nr. 1375 der Drucksachen)3739CDr. Atzenroth (FDP), Interpellant . 3739CHartmann, Staatssekretär im Bundes3740Aministerium der FinanzenDr. Wenzel (SPD)3741ABeratung der Interpellation der Fraktionder SPD betr. Vorlage eines Gesetzes überSteuerbegünstigungen zur Förderung desWohnungsbaues (Nr. 1350 der Druck-sachen) in Verbindung mit derBeratung des Antrags der Fraktion desZentrums betr. Aufteilung der Mittel fürden Wohnungsbau auf die Länder (Nr.1540 der Drucksachen)Klabunde (SPD), Interpellant . . .Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der FinanzenDr. Glasmeyer (Z)Wildermuth, Bundesminister fürWohnungsbauDr. Brönner (CDU)Meyer (Bremen) (SPD)Paul (Düsseldorf) (KPD)Dr. Bertram (Z)3746A3746C3748B3749A3749DNächste Sitzung3750C3741C3741C3744C3745CDie Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durchden Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.Präsident Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren!Ich eröffne die 102. Sitzung des Deutschen Bundestags und bitte den Herrn Schriftführer, die Entschuldigungen und die amtlichen Mitteilungen bekanntzugeben.Dr. Zawadil, Schriftführer: Der Herr Präsidenthat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten

3716Deutscher Bundestag — 102. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1950(Dr. Zawadil)Dr. Baur (Württemberg), Arnholz, Kohl (Württemberg), Gerns, Frau Albrecht, Paul (Württemberg),Dr. Köhler.Für längere Zeit suchen um Urlaub nach dieAbgeordneten Dr. Freiherr von Rechenberg undKalbitzer für 14 Tage wegen Teilnahme an Verhandlungen in Straßburg und AbgeordneterMorgenthaler für 4 Wochen wegen Krankheit.Entschuldigt sind die Abgeordneten FrauDr. Hubert, Dr. Wellhausen, Frau Dr. Rehling,Dr. Hammer, Leibfried, Dr. Dresbach und Wittenburg.Präsident Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren!An Stelle des Herrn Abgeordneten Dr. Falkner istder Landwirtschaftsrat und Direktor Roman Lamplin den Bundestag neu eingetreten. Ich begrüße denHerrn Abgeordneten Lampl und wünsche ihm eineerfolgreiche Arbeit in den Reihen der Abgeordneten des Bundestags.Ich benutze die Gelegenheit, um dem Herrn Abgeordneten Professor Dr. Gülich zur Wiederherstellung seiner Gesundheit zu gratulieren; ichfreue mich, daß er wieder an den Arbeiten desParlaments teilnehmen kann.Ich darf darauf hinweisen, daß wiederum einerunserer Abgeordneten einen Autounfall erlitt, undzwar der Abgeordnete Graf von Spreti. Ich bindurch ein Telegramm des Krankenhauses dahininformiert worden, daß seine Verletzungen nichtlebensgefährlich sind. Ich freue mich, das bekanntgeben zu dürfen.(Bravo!)Ich bitte, die weiteren Bekanntmachungen zuhören.Dr. Zawadil, Schriftführer: Der Bundesrat hatmit Schreiben vom 10. November 1950 mitgeteilt,daß er in seiner Sitzung vom gleichen Tage beschlossen hat, dem Gesetz über den Verkehr mitZucker (Zuckergesetz) gemäß Art. 78 des Grundgesetzes zuzustimmen und zu dem Zweiten Gesetzüber Rheinschifferpatente einen Antrag gemäßArt. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.Der Bundesrat hat weiter mitgeteilt, daß er beschlossen hat, zu dem am 26. Oktober 1950 vomDeutschen Bundestag verabschiedeten Gesetz überBundeskriminalpolizeiamtes dieEnrchtugs(Bundeskriminalamtes) die Einberufung des Vermittlungsausschusses gemäß Art. 77 Abs. 2 desGrundgesetzes zu verlangen. Dieses Schreiben wird als Drucksache Nr. 1598 vervielfältigt.Weiter hat der Herr Bundesminister für Vertriebene unter dem 8. November 1950 die AnfrageNr. 126 der Fraktion der Bayernpartei betreffendUmsiedlung von Heimatvertriebenen aus denLändern Bayern, Niedersachsen und SchleswigHolstein - Drucksache Nr. 1456 — beantwortet.Die Antwort wird als Drucksache Nr. 1597 verteiltwerden.An Vorlagen sind eingegangen:Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Förderungder Wirtschaft von Groß-Berlin West;Entwurf einer Zweiten Durchführungsverordnung zum Ersten Teil des Soforthilfegesetzes;Entwurf einer Verordnung zur Ergänzung derDurchführungsverordnung zum Zweiten undDritten Teil des Soforthilfegesetzes Yam8.Augst194Präsident Dr. Ehlers: Ich danke schön.Meine Damen und Herren! Zur heutigen Tagesordnung weise ich darauf hin, daß auf Wunschder Interpellanten der Punkt 1 der TagesordnungBeratung der Interpellation der Fraktionender Bayernpartei, des Zentrums und derWAV betreffend Gesetzentwürfe über eineSenkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer(Nr. 1429 der Drucksachen)abgesetzt worden ist.Von der kommunistischen Fraktion ist mir einAntrag vorgelegt worden, einen selbständigen Antrag der Fraktion auf die heutige Tagesordnung zusetzen. Es handelt sich um die Frage, ob derBundestag ein Disziplinarverfahren gegen den verantwortlichen Beamten der in Kiel stationiertenWasserpolizei wegen eines Vorgehens gegen einenim Kieler Hafen liegenden Tanker unter der Fahnevon Honduras veranlassen soll. Die Ergänzung derTagesordnung ist nach § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung nur möglich, wenn nicht widersprochenwird.(Abg. Dr. von Brentano: Ich widerspreche!)— Es ist widersprochen worden und daher nichtmöglich, diesen Punkt auf die heutige Tagesordnung zu setzen.Ich rufe auf die Punkte 2a und 2b der Tagesordnung2a) Beratung der Interpellation der Fraktionender CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP, desZentrums und der WAV betreffend Gesetz Nr. 35 der Alliierten Hohen Kommission (IG-Farben-Gesetz) (Nr. 1368 [neu] derDrucksachen);2b) Beratung des Antrags der Fraktion derKPD betreffend IG-Farbenindustrie (Nr.1472 der Drucksachen).Vom Ältestenrat, meine Damen und Herren, istfür die Interpellation eine Begründungszeit von10 Minuten vorgeschlagen worden, ebenfalls 10 Minuten für den Antrag zu 2b). Für die Ausspracheist eine Zeit von 60 Minuten vorgesehen. — DasHaus widerspricht nicht; es ist demgemäß so beschlossen.Für die Interpellanten spricht Herr AbgeordneterWagner.Wagner (SPD), Interpellant: Meine Damen undHerren! Die Alliierte Hohe Kommission hat dasGesetz Nr. 35 erlassen, das, veröffentlicht in ihremAmtsblatt Nr. 31 vom 26. August 1950, die Aufspaltung des Vermögens der IG-FarbenindustrieAG. zum Gegenstand hat. In Art. 1 Ziffer 2 gehtdas Gesetz davon aus, daß die „einheitliche Kontrolle und Leitung der diesem Gesetz unterliegenden Vermögensgegenstände eine übermäßige Konzentration wirtschaftlicher Macht darstellt". InZiffer 4 des Art. 1 wird als Grundsatz für dieAufspaltung verkündet: die Schaffung einer Anzahl wirtschaftlich gesunder und unabhängigerGesellschaften, und zwar in der Weise, daß dieAufspaltung der Eigentums- und Kontrollrechte gewährleistet ist und der Wettbewerb in der deutschen chemischen Industrie und in verwandtenIndustrien gefördert wird.Die Mehrheit der Deutschen ist durchaus derAuffassung, daß die Zusammenballung wirtschaftlicher Macht in den Händen von Kartellen, Trustsund Monopolen verhindert und, wo sie besteht, beseitigt werden muß. Sie weiß aber auch, daß gerade

Deutscher Bundestag — 102. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 19503717(Wagner)1472 begründet wird. — Das Wort hat Herr Abgein der chemischen Industrie Forschung und techordneter Müller. —10 Minuten, Herr Abgeordneter.nischer Fortschritt gehemmt oder sogar lahmgelegtwerden, wenn die Betriebe nicht eine gewisseMüller (Frankfurt) (KPD), Antragsteller: MeineGröße erreichen dürfen und sich durch VerbundDamen und Herren! Die Ausplünderung des deutwirtschaft helfen können. Sie weiß weiter, daß dieschen Volkes durch die amerikanischen Beutesozialen Leistungen aller Art, insbesondere aber diemacher kennt keine Grenzen.Altersversorgung der Arbeitnehmer von Kleinbetrieben nicht in gleicher Art und in gleichem(Lachen bei der SPD, in der Mitte und rechts.)Maße vorgenommen werden können wie von1945, nach dem Zusammenbruch, kamen hinter denGroßbetrieben. Sie hält auch die Schaffung wirtvorrückenden amerikanischen Truppen bereitsschaftlich gesunder Unternehmen für richtig.diejenigen, die im Auftrag der großen amerikaniEs muß angenommen werden, daß sich dieschen Konzerne Westdeutschland daraufhin unterAlliierte Hohe Kommission in allen diesen Punksuchten,ten mit uns in Übereinstimmung befindet. Um so(Abg. Dr. Schmid [Tübingen] : Russenunverständlicher ist es, wenn in Ziffer 3 deswaren auch dabei, Herr Müller!)Art. 1 des Gesetzes Nr. 35 gesagt wird:diePatente des deutschen Volkes auffindenwo sieDie Alliierte Hohe Kommission wird die Maßund mit deren Hilfe ihre eigene Wirtschaft weiternahmen treffen, die sie für erforderlich erentwickeln könnten.achtet, um die Liquidierung der IG-Farben(Zuruf von der SPD: Leuna!)industrie-AG. durchzuführen und sie alsjuristische Person aufzulösen.Es ist eine erwiesene Tatsache: in Hessen wurdeein Lager mit deutschen Patenten von den AmeriWarum will die Alliierte Hohe Kommission diesekanern gefunden und beschlagnahmt. Unter dieAufspaltung von sich aus einseitig vornehmen?sen Patenten befand sich eine große AnzahlWarum überläßt sie die Regelung dieser MateriePatente der IG-Farbenindustrie und der chenicht den zuständigen deutschen Organen?mischen Industrie. Diese Patente wurden nach(Sehr richtig! rechts.)Amerika verschleppt und dort so weidlich ausDieses Problem ist sowohl im Wirtschaftlichen alsgenutzt, daß nicht nur die Entwicklung der cheauch im Rechtlichen derart kompliziert, daß manmischen Industrie in den Vereinigten Staatensich nicht gut vorstellen kann, deutsche Sachverungeheuer vorangetrieben werden konnte. Dasständige seien zu seiner Bewältigung weniger geAusland und ausländische Pressestellen konnteneignet als ausländische, mit den Verhältnissen vielsogar erklären, daß der Wert dieser Patente zuweniger vertraute. Die westlichen Alliierten habenmindest mehr als 5 Milliarden Dollar ausmacht.mit diesem Gesetz keinen Beweis für ihr Vertrauen(Abg. Jacobi: Es sind aber wenigstenszum deutschen Gesetzgeber erbracht. Mangelndeskeine Menschen verschleppt worden!)Vertrauen ist aber keine Grundlage für eine ZuUndnun haben wir das Gesetz Nr. 35, das insammenarbeit und hat in der Regel als Reaktionderselben Linie liegt und zeigt, wie die Okkupanmangelndes Vertrauen auf der andern Seite zurten ihre Macht benutzen, um dem deutschen VolkFolge.das Eigentum zu rauben. Sie haben in dieser Be(Sehr richtig! bei der SPD.)ziehung einige Beispiele bzw. Vorbilder, denn alsDas paßt aber in keiner Weise mehr in die Politikwährend des Hitler-Krieges deutsche Industriellehinein, die von den westlichen Alliierten auf aninden besetzten Gebieten dortige Vermögenswertederen Gebieten proklamiert wird. Das GesetzundFabriken beschlagnahmten, haben die AmeriNr. 35 bedeutet einen Rückfall in Zeiten, die endkaner zweifellos aus diesen Methoden auch ihregültig überwunden sein müssen, wenn Europa undLehre gezogen. In dem Gesetz Nr. 35 haben sie dasder gesamte Westen politisch und wirtschaftlichzum Ausdruck gebracht. Sie wollen die Betriebe,gesunden sollen.die an und für sich dem deutschen Volk gehören,Die Bundesregierung wird deshalb aufgefordert,in die alleinige Verfügungsgewalt der Herren derbei der Hohen Alliierten Kommission darauf hinHohen Kommission legen. Diese soll das Rechtzuwirken, daß die Zerlegung der IG-Farbeninduhaben, allein über dieses dem deutschen Volk gestrie-AG. in wirtschaftlich gesunde, konkurrenzhörende Eigentum und darüber, wie es verwendetfähige und unabhängige Unternehmen in deutschewerden soll, zu entscheiden. Diese Betriebe der IG.Hände gelegt wird; zum mindesten soll, wie es in- sollen an das Ausland verschachert werden; undder Interpellation Drucksache Nr. 1368 unter Zifes ist wohl insbesondere der große chemische Konfer 2 heißt, „ein von der Bundesregierung im Einzern Dupont, der ein besonderes Interesse daran hat,vernehmen mit Bundestag und Bundesrat benachdem der große Teil der Auslandsaktien derrufenes deutsches Gremium beauftragt werden, mitIG. in seinen Händen ist, seine Hand auf die Beder Alliierten Hohen Kommission die Grundzügetriebe der IG-Farbenindustrie zu legen.-für ein deutsches Gesetz zur Neuordnung des IGAber ich frage, welches ist denn die RechtsFarben-Komplexes zu erarbeiten".grundlage, auf der das Gesetz Nr. 35 beruht? IchEs soll aber in diesem Zeitpunkt schon betontmöchte feststellen, daß dieses Gesetz Nr. 35 nichtwerden, daß nach der Aufspaltung die neugebildenur keine Rechtsgrundlage hat, sondern geradezuten Unternehmungen keinem ausländischen Sonein schwerer Verstoß gegen das Potsdamer Abderrecht mehr unterliegen dürfen und genau sokommen ist. Denn in Abschnitt III dieses Potsbehandelt werden müssen wie alle übrigen deutdamer Abkommens wurde festgelegt, daß dieschen Wirtschaftsunternehmungen.höchste Regierungsgewalt in Deutschland durchdie Oberkommandierenden der Streitkräfte, welche(Lebhafter Beifall.)in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Kontrollrats handeln, gemeinsam in den DeutschlandPräsident Dr. Ehlers: Die Interpellation ist beals Ganzes betreffenden Fragen ausgeübt wird.gründet. Da wir vorsahen, die Besprechung von 2aAllein also der Kontrollrat wäre zuständig und beund 2b zu verbinden, schlage ich Ihnen vor, daß zufugt, Entscheidungen zu treffen. Aber durch dienächst der Antrag der KPD zu 2b Drucksache Nr.

3718Deutscher Bundestag — 102. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1950(Müller [ Frankfurt])Tatsache, daß die westlichen Mächte hier mit demGesetz Nr. 35 die Entscheidung über diese Betriebein die Hand genommen haben, verstoßen sie gegendieses Gesetz, das völkerrechtlich bindend ist.(Zuruf von der SPD: Was haben die Russenmit dem Leuna-Werk gemacht?)Ein Zweites ist die Frage, welches die Hintergründe sind. Die Herren des amerikanischen Kapitals und die Kriegstreiber wollen die chemischeIndustrie, die Betriebe der IG., in die Hände bekommen, um im Rahmen ihrer Kriegsvorbereitungen diese Betriebe für die Herstellung chemischenKriegsmaterials zu verwenden. Was ist denn dieUrsache der Explosion in Ludwigshafen gewesen?Ich glaube, es ist heute eine erwiesene Tatsache,daß die Herstellung von Düsen-Treibstoff dort dieUrsache für diese große Explosion gewesen ist. Unddamit verstößt das Gesetz Nr. 35 gegen ein weiteres Gesetz des Kontrollrats, gegen das Gesetz Nr. 9,in dem festgelegt worden ist, daß das deutscheKriegspotential zu vernichten und die Herstellungneuer Kriegsausrüstung und Kriegsmaterialien zuunterbinden ist.Damit ist also ein weiterer Beweis für die Absichten erbracht, die die Herren Amerikaner mitdem Gesetz Nr. 35 verfolgen. Daß hier natürlicherweise auch ihre wirtschaftlichen Interessen einebesondere Rolle spielen, brauche ich nicht besonders zu unterstreichen, nachdem feststeht, daß dieIG-Betriebe zirka 20% der gesamten Produktionder chemischen Industrie ausmachen. Das bedeutetnach der letzten Monatsstatistik rund 120 MillionenDM; das bedeutet, daß damit auch der Export, andem die chemische Industrie und die IG. einen bedeutenden Anteil haben, ausschließlich in den Händen der Amerikaner liegt. Es ist also ein fetterBrocken, den sie da von dem deutschen Tisch geschnappt haben.Ich glaube, nicht nur allein diese Auswirkung,diese schwere Schädigung der deutschen Wirtschaft ist die Absicht der Herren vom Petersberg.Getroffen wird auch die Chemie-Arbeiterschaft.Denn mit diesem Gesetz Nr. 35, durch die Kornmission, die danach eingesetzt worden ist, ist praktisch die Arbeiterschaft der chemischen Industrierechtlos gemacht worden. Sie ist der Willkür derHerren, der neuen ausländischen Herren, die nundie IG-Betriebe in ihre Hände bekommen sollen,ausgeliefert.Ein Weiteres ist die Tatsache, daß auch der Einfluß der Gewerkschaften in der chemischen Industrie, in den IG-Betrieben, ausgeschaltet werdensoll. Getroffen werden die Pensionäre; denn nachden Bestimmungen des Gesetzes obliegt es alleinder Entscheidungsbefugnis der Kommission, obPensionen und in welcher Höhe sie an die Pensionäre der IG-Farbenindustrie gezahlt werden sollen.(Zuruf von der SPD: Das müssen Sie denZeiß-Werken in Jena sagen!)Und nicht zuletzt wird auch eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Kleinaktionären getroffen; dennauch über die Höhe der Entschädigung entscheidetausschließlich diese Kommission bzw. die neuenHerren.Nach dem Gesetz Nr. 35 und seinen Anlagen sindauch eine ganze Reihe von Wohnungsunternehmungen, Baugesellschaften, Siedlungsgesellschaften und Pensionskassen mit betroffen; das heißtmit andern Worten: die neuen Herren entscheidenauch über diese mit der IG zusammenhängendenUnternehmungen, und auch hier werden in ersterLinie die Arbeiter, die Angestellten und die Chemiker getroffen.(Abg. Rische: Die entscheiden über alles!)Ich glaube, daß diese Auswirkungen eigentlichSie alle veranlassen müßten, sich mit aller Entschiedenheit gegen dieses Gesetz zur Wehr zusetzen. Ihre Interpellation bezweckt aber etwasanderes. Im Hintergrund steht dabei letzten Endesnichts anderes als die Absicht, an dem Geschäft derAmerikaner mit der IG-Farbenindustrie beteiligtzu werden. Die Herren, die während des Kriegesmit Dupont ihre Geschäfte gemacht und Patenteausgetauscht, die deutschen Patente für die Kriegführung der Amerikaner zur Verfügung gestellthaben, möchten einen Brocken von dem neuen Geschäft der Kriegsvorbereitung abbekommen. Dasist letzten Endes das Ziel und die Absicht, die hierverfolgt werden.(Abg. Jacobi: Denken Sie an die OderNeiße-Linie!)Ich glaube, daß das nationale Interesse des Volkesdie Nichtanerkennung und Nichtigkeitserklärung(Abg. Jacobi: Der Oder-Neiße-Linie!)des Gesetzes Nr. 35 verlangt.(Zurufe rechts: Schluß! Schluß!)-Ich glaube, daß es die Aufgabe der in den IG.Farben-Betrieben beschäftigten Arbeiter, Angestellten, Chemiker, ja des ganzen Volkes sein wirdund sein muß, sich gegen diesen Raub zur Wehr zusetzen und den Kampf um die Erhaltung dieserBetriebe für das deutsche Volk in gemeinsamerFront zu führen.(Beifall bei der KPD. — Zurufe von derSPD: „Uhri! Uhri!")Präsident Dr. Ehlers: Zur Beantwortung der Interpellation hat das Wort der Herr Bundesministerfür Wirtschaft.Dr. Erhard, Bundesminister. für Wirtschaft: HerrPräsident! Meine Damen und Herren! Auf die inder Interpellation genannten Fragen antwortet dieBundesregierung wie folgt.Erstens. Unmittelbar nach der Verkündung desGesetzes Nr. 35 der Alliierten Hohen Kommissionüber die Entflechtung der IG-Farben-IndustrieAG. habe ich zugleich im Namen der Bundesregierung dem Wirtschaftsberater der Hohen Kommission das Befremden der deutschen Bundesregierung über die Nichtunterrichtung und über dieNichtbeteiligung deutscher Stellen bei dem Erlaßdes Gesetzes Nr. 35 zum Ausdruck gebracht.(Bravo! in der Mitte.)Ich habe insbesondere betont, daß es im Hinblickauf die der deutschen Bundesregierung übertragenewirtschaftliche Verantwortung für die Neugestaltung der Wirtschaft des Bundesgebietes sowohl imInteresse einer rechtlich unangreifbaren Dauerlösung als auch im Interesse der Pensionäre, Aktionäre, Rentner und anderer Gläubiger der IGunerläßlich sei, daß die deutsche Bundesregierungbei der Durchführung der Liquidation und Neuordnung mitwirke.Die Bundesregierung hat nach nochmaliger Erörterung des Problems durch den Herrn Bundeskanzler der Alliierten Hohen Kommission einMemorandum vom 2. Oktober 1950 überreicht. Indiesem Memorandum ist vorgeschlagen, baldmöglichst in eine gemeinsame Erörterung der für denIG-Farben-Komplex vorliegenden Entflechtungspläne einzutreten, die beiderseitigen Auffassungen

Deutscher Bundestag — 102. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 19503719(Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard)einander anzugleichen und zu einer Übereinstimmung und einem für beide Teile annehmbarenGesamtentflechtungsplan zu kommen. Sie hat esfür zweckmäßig erachtet, daß , die mit dieser Aufgabe betrauten Stellen sich weitgehend der Mitwirkung von beiderseits zu bestimmenden Sachverständigen bedienen.(Abg. Rische: Konzernherren!)Die Begründung für die Notwendigkeit einer gemeinsamen Erörterung erfolgte wie in den vorangegangenen mündlichen Besprechungen mit demHinweis auf die politischen, volkswirtschaftlichen,rechtlichen und sozialen Folgen einer nur durchdie Alliierten durchgeführten Liquidation undNeuordnung.Die Bundesregierung hat in dem Memorandumvom 2. Oktober 1950 die Alliierte Hohe Kommission dringend gebeten, die Art. 4 und 5 des Gesetzes Nr. 35 durch Verordnungen zu ergänzen, diedie Anwendung deutscher Liquidationsbestimmungen und die deutsche Zuständigkeit vorsehen. Biszu dem Erlaß solcher ergänzenden Verordnungendurch die Alliierte Hohe Kommission hat die Bundesregierung gebeten, von der Herausgabe vonDurchführungsverordnungen gemäß Art. 4 und 5des Gesetzes Nr. 35 und etwaiger sonstiger Ausführungsbestimmungen Abstand zu nehmen.Ich habe auch im Anschluß an das Memorandumvom 2. Oktober den Wirtschaftsberatern der Alliierten Hohen Kommission Vorschläge zur Aufteilung der IG-Farben-Industrie übergeben. DieseVorschläge sehen die sofortige Gründung von dreigrößeren Nachfolgeunternehmen und die Verselbständigung von mehreren bisher nicht selbständigenKonzernunternehmungen vor. Die Alliierte HoheKommission hat im Verlauf dieser Besprechungenund später schriftlich bestätigt, daß sie die Absicht habe, die Bundesregierung in vollem Umfange zu informieren und ihre Stellungnahme einzuholen, bevor irgendwelche bedeutsamen Maß-nahmen im Verlaufe der Entflechtung der IGFarben-Industrie ergriffen werden. Die deutschenVorschläge betreffen Pläne für die Verteilung dergrößeren Produktionskomplexe und Kapitalanlagen, die Liquidierung der Stammgesellschaften mitallen nicht für die Beibehaltung geplanten Tochtergesellschaften, grundsätzliche Pläne für die Behandlung anspruchsberechtigter Personen sowie dieKonstituierung und Bildung des Liquidationsausschusses.In der zweiten Frage der Interpellation hält esdie Bundesregierung für geboten, den Vorschlagder Alliierten Hohen Kommission über die Zu-sammensetzung des Liquidationsausschusses abzuwarten und erst dann den Alliierten etwaigeGegenvorschläge zu unterbreiten. Ich darf hinzufügen, daß ich in dieser Frage in ständiger Verbindung mit der Alliierten Hohen Kommissionstehe und die Zusicherung erhalten habe, daßkeine Maßnahmen durchgeführt werden, ohne daßsie nicht vorher in allen Einzelheiten mit uns —mit der Bundesregierung — erörtert werden.Zu den Ausführungen des Redners der Kommunistischen Partei möchte ich sagen, daß diese Darstellung so abwegig ist, daß sich ein Eingehen darauf als überflüssig erweist.(Abg. Renner: Das ist sehr billig!)Es ist weder von einer Verschacherung noch voneiner Preisgabe deutscher Interessen die Rede. Eshandelt sich lediglich um eine Entflechtung,(Zuruf von der KPD: Verflechtung!Das wäre besser!)um die Neugründung lebensfähiger, wettbewerbsfähiger Gebilde der deutschen chemischen Industrie in deutscher Hand, unter deutscher Verantwortung und zugunsten des deutschen Landes unddeutschen Volkes. Wir sind immer noch in derglücklichen Lage, daß die Arbeit des deutschenVolkes auch dem deutschen Volke zugute kommt;die Früchte der Arbeit des Volkes werden nichtwie bei Ihnen (zur KPD gewandt) geraubt und infremde Länder gebracht.(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Gegenrufe von der KPD.)Präsident Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren!Die Interpellation ist beantwortet. — Ich frage, obeine Besprechung der Interpellation gewünschtwird. Eine Besprechung könnte nur stattfinden,wenn 50 Mitglieder sie verlangen. — Das ist nichtder Fall.Ich eröffne die Beratung über den Antrag derkommunistischen Fraktion auf Drucksache Nr.1472. Wird dazu das Wort gewünscht? — HerrAbgeordneter Dr. Schröder.Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU): Meine Damenund Herren! Ich habe Ihnen im Namen der Fraktionen, die die Interpellation Nr. 1368 unterzeichnethaben, vorzuschlagen, daß die Antwort der Regierung auf diese Interpellation zur weiteren Behandlung des Gegenstandes dem wirtschaftspolitischenAusschuß überwiesen wird. Ebenso soll der Antragder Fraktion der KPD in Drucksache Nr. 1472 demwirtschaftspolitischen Ausschuß überwiesen werden.Präsident Dr. Ehlers: Darf ich fragen, ob derAntrag des Herrn Abgeordneten Dr. Schröder von30 Abgeordneten unterstützt wird? — Das ist derFall, da er namens der Fraktionen gestellt ist.Es ist der Antrag gestellt, die Drucksache Nr.1472 ebenfalls dem wirtschaftspolitischen Ausschußzu überweisen. Weitere Wortmeldungen liegennicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir stimmenab über den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr.Schröder. Wer ist dafür? — Wer ist dagegen? —Der Antrag ist einstimmig angenommen. Damitsind die Punkte 2a und 2b der Tagesordnung erl edigt.Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:Beratung der Interpellation der Fraktionendes Zentrums, der Bayernpartei und derWAV betr. Gesetzgebungswerk für Notstandsgebiete in der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 1408 der Drucksachen).Der Ältestenrat hat Ihnen vorzuschlagen, daßfür die Begründung 15 Minuten, für die Aussprache60 Minuten vorgesehen werden. — Es wird nichtwidersprochen. Damit ist so beschlossen. Zur Begründung der Interpellation hat das Wort der HerrAbgeordnete Dr. Etzel.Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktionder Bayernpartei hat am 21. September 1949 mitDrucksache Nr. 24 den Antrag auf Bildung einesAusschusses „Bayerisches Notstandsgebiet" eingebracht. Der Antrag wurde gemäß dem interfraktionellen Antrag Drucksache Nr. 63 dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zugeleitet. Auch dieAusschüsse für Grenzlandfragen und Verkehrspolitik waren im weiteren Verlauf mit ihm beschäftigt.

3720Deutscher Bundestag — 102. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. November 1950(Dr. Etzel [Bamberg])Am 30. September beantragte die Fraktion derCDU/CSU mit Drucksache Nr. 95 eine Soforthilfefür die sogenannte „Rote Zone". Mit dem Antragbefaßte sich der Grenzlandausschuß. Der Mündliche Bericht desselben — es ist die DrucksacheNr. 348 — wurde in der 27. Plenarsitzung am18. Januar 1950 einstimmig gebilligt. Er beantragtedie Vorlage eines Gesetzes zur Bekämpfung derNotlage der Grenzgebiete und die Bereitstellungvon Mitteln zur Bildung eines Grenzlandfonds.Ein Antrag der Fraktion der SPD vom 5. Oktober 1949 — Drucksache Nr. 80 — wollte die Erklärung Schleswig-Holsteins zum Notstandsgebiet unddie Aufstellung eines Notstandsprogramms für dieses Land. Der Antrag wurde vom Plenum an denAusschuß für Wirtschaftspolitik, bei dem dieFederführung liegt, und an die Ausschüsse für Heimatvertriebene und für Finanz- und Steuerfragenüberwiesen. Dem vom Bundestag in der 86. Sitzung vom 15. September 1950 verabschiedeten Gesetz über eine vorläufige Finanzhilfe für das LandSchleswig-Holstein im Rechnungsjahr 1950 hat derBundesrat nicht zugestimmt. Die Bundestagsausschüsse für Verfassungsschutz und für Geld undKredit prüfen gegenwärtig die Frage, ob der Bundestag seinerseits den Vermittlungsausschuß anrufen kann und soll.Der in der 79. Plenarsitzung vom 23. Juni diesesJahres einstimmig gebilligte Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen über den Antrag der Abgeordneten Dr. Solleder, Dr. von Brentano und Genossen beantragte für die ostbayerischen Grenzgebiete die Vorkehrung von Maßnahmen, wie siefrüher für Ostpreußen durch das Osthilfegesetzgewährt wurden, und zur Abgeltung der durchdie ostzonale Grenze entstandenen Umwegentfernungen die Bereitstellung eines Betragesvon 30 Millionen DM als Frachthilfe sowie Gewährung von Sondertarifen in besonders dringlichen Fällen als Härteausgleich. Da mit derAusführung des Bundestagsbeschlusses durchdie Bundesregierung bzw. den Herrn Bundesfinanzminister, wie auch die Verhandlungen inBamberg am 9. August in Gegenwart des HerrnBundesverkehrsministers erkennen ließen, nichtzu rechnen war, haben die Antragsteller am 15. Oktober eine Interpellation — Drucksache Nr. 1462 —eingebracht.Außerdem sind Industrie- und Handelskammern,Handwerkskammern, Fachverbände, sonstige Wirtschaftsorganisationen, einzelne Gemeinden, Gemeindeverbände und Landkreise mit Gesu

Dr. Glasmeyer (Z) 3745C Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 3746A Dr. Brönner (CDU) 3746C Meyer (Bremen) (SPD) 3748B Paul (Düsseldorf) (KPD) 3749A Dr. Bertram (Z) 3749D Nächste Sitzung 3750C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet. Präsident Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren!