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Arntz, Melanie; Gregory, Terry; Zierahn, Ulrich; Lehmer, Florian; Matthes, BrittaResearch ReportDigitalisierung und die Zukunft der Arbeit:Makroökonomische Auswirkungen aufBeschäftigung, Arbeitslosigkeit und Löhne vonmorgenZEW-Gutachten und ForschungsberichteProvided in Cooperation with:ZEW - Leibniz Centre for European Economic ResearchSuggested Citation: Arntz, Melanie; Gregory, Terry; Zierahn, Ulrich; Lehmer, Florian;Matthes, Britta (2018) : Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit: MakroökonomischeAuswirkungen auf Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Löhne von morgen, ZEW-Gutachten undForschungsberichte, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), MannheimThis Version is available ungsbedingungen:Terms of use:Die Dokumente auf EconStor dürfen zu eigenen wissenschaftlichenZwecken und zum Privatgebrauch gespeichert und kopiert werden.Documents in EconStor may be saved and copied for yourpersonal and scholarly purposes.Sie dürfen die Dokumente nicht für öffentliche oder kommerzielleZwecke vervielfältigen, öffentlich ausstellen, öffentlich zugänglichmachen, vertreiben oder anderweitig nutzen.You are not to copy documents for public or commercialpurposes, to exhibit the documents publicly, to make thempublicly available on the internet, or to distribute or otherwiseuse the documents in public.Sofern die Verfasser die Dokumente unter Open-Content-Lizenzen(insbesondere CC-Lizenzen) zur Verfügung gestellt haben sollten,gelten abweichend von diesen Nutzungsbedingungen die in der dortgenannten Lizenz gewährten Nutzungsrechte.If the documents have been made available under an OpenContent Licence (especially Creative Commons Licences), youmay exercise further usage rights as specified in the indicatedlicence.

Digitalisierung und die Zukunftder Arbeit: MakroökonomischeAuswirkungen auf Beschäftigung,Arbeitslosigkeit und Löhne vonmorgen.Dr. Melanie ArntzDr. Terry GregoryDr. Ulrich ZierahnMannheim, 18. April 2018Danksagung :Wir danken dem Bundesministerium fürBildung und Forschung (BMBF) für die finanzielle Förderungdes Projektes. Teile dieser Arbeit beruhen aufZusammenarbeit mit Florian Lehmer und Britta Matthesvom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.AnsprechpartnerinDr. Melanie Arntz (ZEW)L 7, 1 68161 MannheimPostfach 10 34 4368034 MannheimE-Mail arntz@zew.deTelefon 49 621-1235-159Telefax 49 621-1235-225

InhaltInhaltInhalt. i1Einleitung . 12Stand der Literatur und Forschungsfragen . 62.1Stand der Literatur und Forschungslücken. 62.1.1Effekte der Digitalisierung auf die Lohn- und Beschäftigungsstruktur. 62.1.2Effekte der Digitalisierung auf die Gesamtbeschäftigung . 72.1.3Abschätzungen über zukünftige Auswirkungen der Digitalisierung. 102.2Forschungsfragen . 123Schaffung einer geeigneten Datenbasis . 143.1IAB-ZEW Arbeitswelt 4.0 Betriebsbefragung. 143.2Verknüpfung mit administrativen Betriebs- und Beschäftigtendaten . 184Die Diffusion digitaler Technologien in die betriebliche Praxis . 194.1Arbeitsmittel in deutschen Betrieben nach Automatisierungs- undDigitalisierungsgrad . 194.2Vergleich zwischen Industrien . 224.3Vergleich zwischen Betrieben . 254.4Chancen und Risiken neuer Technologien . 275Entwicklung eines strukturellen Modells des technologischenWandels . 315.1Arbeitsnachfrage . 315.1.1Arbeitsnachfrage der Firmen . 325.1.2Arbeitsnachfrage der Sektoren. 34i

Arntz, Gregory, Zierahn5.2Produktnachfrage . 365.3Arbeitsmarktfriktionen . 375.4Arbeitsangebot . 385.5Zerlegung der Gesamtbeschäftigungseffekte . 396Analyse des technologischen Wandels auf Betriebsebene . 416.1Aggregierte Arbeitsnachfrage . 416.2Tätigkeitsspezifische Arbeitsnachfrage. 447Makroökonomische Beschäftigungs- und Lohnveränderungen . 477.1Datenbasis. 477.1.1IAB-ZEW-Arbeitswelt-4.0 Betriebsbefragung . 477.1.2SIAB-R7514 . 487.1.3World Input-Output Database (WIOD) . 517.2Empirische Schätzung des strukturellen Modells . 527.2.1Arbeitsnachfrage . 527.2.2Alternative Arbeitsnachfrage-Schätzung . 577.2.3Produktnachfrage . 597.2.4Arbeitsmarktfriktionen . 627.2.5Arbeitsangebot . 657.3Zerlegung der makroökonomischen Effekte. 667.3.1Vergangener technologischer Wandel . 667.3.2Aktueller technologischer Wandel. 70ii

Inhalt8Simulation zukünftiger technologieinduzierter Beschäftigungs- undLohnveränderungen . 878.1Technologische Investitionen . 888.2Moderierende Faktoren . 968.3Vergleich zu anderen Studien . 1029Fazit. 1059.1Kernergebnisse . 105(1)Langsame, aber sich beschleunigende Verbreitung von 4.0Technologien . 106(2)Wachsende technologische Kluft in der deutschenBetriebslandschaft . 106(3)Schwach positive Gesamtbeschäftigungseffekte . 106(4)Starke Struktureffekte auf Berufs- und Branchenebene . 107(5)Wachsende Beschäftigungs- und Lohnungleichheit. 108(6)Mobilität hilft den Arbeitskräften, hat aber kaumBeschäftigungseffekte . 109(7)4.0 Technologien haben in der mittleren First eher investivenCharakter . 1099.2Politikimplikationen . 11010Literaturverzeichnis . 11311Anhang . 11911.1Strukturelles Modell . 11911.1.1 Arbeitsnachfrage – Hauptvariante . 11911.1.2 Arbeitsnachfrage – Alternative Variante . 12011.1.3 Produktnachfrage . 12111.1.4 Kapitalproduzierender Sektor . 12211.1.5 Arbeitsmarktfriktionen . 122iii

Arntz, Gregory, Zierahn11.1.6 Arbeitsangebot . 12311.1.7 Zerlegung . 12411.2Durchschnittliche Anteil Produktionsarbeiter im Betrieb . 12511.3Schätzung in Abbildung 7: Technologieinvestitionen undVeränderungen der tätigkeitsspezifischen Arbeitsnachfrage (20112016) . 12611.4Weitere Ergebnisse der Szenarien . 12711.4.1 Technologie-Szenarien . 12711.4.2 Szenarien zu moderierenden Faktoren . 131iv

InhaltAbbildungsverzeichnisAbbildung 1: Nutzung von 4.0-Technologien in deutschen Betrieben . 20Abbildung2: Anteil der Arbeitsmittel nach Einsatzbereich undTechnologiestufe im Zeitablauf . 21Abbildung 3: Kapitalanteile in 2016 nach Technologiestufen und Industriender WZ93, in Prozent . 23Abbildung 4: Veränderung der Anteile der Technologiestufen amKapitalstock zwischen 2011 und 2016 nach Branchen, inProzentpunkten . 24Abbildung 5: Erwartete Veränderung der Anteile der Technologien amKapitalstock zwischen 2016 und 2021 nach Branchen, inProzentpunkten . 24Abbildung 6: Chancen und Herausforderungen neuer Technologien . 29Abbildung7: Technologieinvestitionen und Veränderungen dertätigkeitsspezifischen Arbeitsnachfrage (2011-2016) . 45Abbildung 8: Zerlegung für ausgewählte Segmente, 1995-2010 . 67Abbildung 9: Beschäftigungseffekte nach Berufsgruppen, 1995-2010. 68Abbildung 10: Beschäftigungseffekte nach Sektoren, 1995-2010 . 69Abbildung 11: Netto-Beschäftigungseffekte, 1995-2010 . 70Abbildung 12: Beschäftigungsentwicklung nach Branchen, 2010-2014 . 71Abbildung 13: Veränderung des Kapitalstocks nach Technologie undBranche, 2011-2016. 72Abbildung 14: Automatisierungspotentiale im Vergleich zu Industrie1.0/2.0 . 74Abbildung 15: Beschäftigungseffekte nach Berufen, 2011-2016 . 75Abbildung 16: Beschäftigungseffekte nach Sektoren, 2011-2016 . 76Abbildung 17: Netto-Beschäftigungseffekte, 2011-2016 . 77Abbildung 18: Marginale Effekte der Technologien, 2011-2016 . 78v

Arntz, Gregory, ZierahnAbbildung 19: Marginale Effekte der Technologien nach Berufsgruppen,2011-2016 . 79Abbildung 20: Beschäftigungseffekte nach Technologie, 2011-2016 . 80Abbildung 21: Arbeitsangebotseffekte nach Berufen, 2011-2016 . 81Abbildung 22: Arbeitsangebotseffekte nach Sektoren, 2011-2016 . 82Abbildung 23: Lohneffekte nach Berufen, 2011-2016 . 83Abbildung 24: Lohneffekte nach Sektoren, 2011-2016 . 83Abbildung 25: Arbeitslosigkeitseffekte, 2011-2016 . 84Abbildung 26: Beschäftigungspolarisierung, 2011-2016 . 85Abbildung 27: Lohnpolarisierung, 2011-2016 . 86Abbildung 28: Gesamteffekte für drei Technologie-Szenarien, 2016-2021 . 89Abbildung 29: Beschäftigungseffekte im Basisszenario nach Technologien.2016-2021 . 90Abbildung 30: Beschäftigungseffekte für drei Technologie-Szenarien nachBerufen, 2016-2021 . 91Abbildung 31: Beschäftigungseffekte für drei Technologie-Szenarien nachSektoren, 2016-2021 . 92Abbildung 32: Lohneffekte für drei Technologie-Szenarien, 2016-2021 . 93Abbildung 33: Arbeitslosigkeitseffekte für drei Technologie-Szenarien, 20162021 . 94Abbildung 34: Beschäftigungspolarisierung im Basisszenario, 2016-2021 . 95Abbildung 35: Lohnpolarisierung im Basisszenario, 2016-2021 . 96Abbildung 36: Beschäftigungseffekte für Szenarien zu moderierendenFaktoren, 2016-2021 . 97Abbildung 37: Beschäftigungseffekte nach Berufen für Szenarien zumoderierenden Faktoren, 2016-2021. 98Abbildung 38: Beschäftigungseffekte nach Sektoren für Szenarien zumoderierenden Faktoren, 2016-2021. 99vi

InhaltAbbildung 39: Lohneffekte nach Berufen für Szenarien zu moderierendenFaktoren, 2016-2021 . 100Abbildung 40: Arbeitsangebotseffekte nach Berufen für Szenarien zumoderierenden Faktoren, 2016-2021 . 101Abbildung 41 - Durchschnittliche Anteil Produktionsarbeiter im Betrieb in2011 . 125Abbildung 42: Lohneffekte für drei Technologieszenarien nach Berufen,2016-2021 . 127Abbildung 43: Arbeitsangebotseffekte für drei Technologieszenarien nachBerufen, 2016-2021 . 128Abbildung 44: Lohneffekte für drei Technologieszenarien nach Sektoren,2016-2021 . 129Abbildung 45: Arbeitsangebotseffekte für drei Technologie-Szenarien, 20162021 . 130Abbildung 46: Lohneffekte für Szenarien zu moderierenden Faktoren, 20162021 . 131Abbildung 47: Lohneffekte für Szenarien zu moderierenden Faktoren nachSektoren, 2016-2021 . 132Abbildung 48: Arbeitsangebotseffekte für Szenarien zu moderierendenFaktoren nach Sektoren, 2016-2021 . 133Abbildung 49: Arbeitslosigkeitseffekte für Szenarien zu moderierendenFaktoren nach Sektoren, 2016-2021 . 134vii

Arntz, Gregory, ZierahnTabellenverzeichnisTabelle 1: Verteilung der Beobachtungen über die Schichtungsmerkmale . 15Tabelle 2: Klassifikation der Arbeitsmittel nach Technologiestufen . 17Tabelle 3: Vergleich von Betriebsmerkmalen zwischen Technologievorreiternund -nachzüglern . 26Tabelle 4: Beschäftigtenstruktur von Technologievorreitern und nachzüglern im Vergleich . 27Tabelle 5: Technologieinvestitionen und betriebliche Gesamtbeschäftigungsveränderungen zwischen 2011 und 2016 . 43Tabelle 6: Schätzergebnisse für die Aggregierte Arbeitsnachfrage . 53Tabelle 7: Schätzergebnisse für die Beschäftigungsanteile . 56Tabelle 8: Schätzergebnisse für die Alternative Arbeitsnachfrage. 58Tabelle 9: Schätzergebnisse für ε . 60Tabelle 10: Schätzergebnisse für σ . 62Tabelle 11: Schätzergebnisse für die Lohnkurve . 64Tabelle 12: Schätzergebnisse für das Arbeitsangebot . 66viii

Einleitung1EinleitungIn der öffentlichen Debatte wird häufig die Befürchtung geäußert, dass zunehmend Arbeitsplätze durch den Einsatz von digitalen Technologien gefährdetsind. Ob fahrerlose Autos, fliegende Paketdrohnen, oder Algorithmen zur automatischen Generierung von Sport- und Börsennachrichten, der technologischeWandel (TW) dringt immer stärker in Tätigkeitsbereiche vor, die bislang demMenschen vorbehalten schienen (Brynjolfsson und McAfee 2013, 2017; Kurzund Rieger 2013). Ökonomisch betrachtet bedeutet dies, dass TW die Kostendes Kapitaleinsatzes für bestimmte Tätigkeiten gegenüber den Arbeitskostensenkt, und Kapital Arbeit in diesen Bereichen immer stärker verdrängt. Eine Studie von Frey und Osborne (2017), wonach 47 Prozent aller Jobs in den USA innaher Zukunft durch Computertechnologie gefährdet sind, skizziert in diesemZusammenhang ein düsteres Bild der Zukunft der Arbeit.Es ist jedoch keineswegs gesichert, dass ein zunächst arbeitssparender TW insgesamt zu Beschäftigungsverlusten führt. So steigert die Substitution von Arbeitdurch Maschinen möglicherweise auch die Nachfrage nach Arbeit in den Sektoren, die diese Maschinen produzieren. Sinkende Preise aufgrund einer gestiegenen Produktivität können zudem die Konsumnachfrage stimulieren sowie zueiner Rückverlagerung von Produktionsprozessen aus Niedriglohnländern führen, was der in der heimischen Produktion eingesetzten Arbeit zugutekommt.Ferner entstehen durch neue Technologien neue Märkte und Beschäftigungsmöglichkeiten. Laut einer Studie der EU (2014) sind allein aus der App-Industrieseit ihrer Entstehung ca. 1 Millionen Arbeitsplätze hervorgegangen. Solche makroökonomischen Anpassungs- und Kompensationsmechanismen bleiben jedoch meist unberücksichtigt.Die Abschätzung zukünftiger Beschäftigungsveränderungen unter Berücksichtigung der makroökonomischen Anpassungsmechanismen ist jedoch von zentraler Bedeutung für die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Dies gilt insbesondere für führende Technologiestandorte wie Deutschland. Erstens können solche Abschätzungen Einblicke in die Chancen des technologischen Wandels geben. Bisherige Studien untersuchen vor allem die zerstörerische und wenigerdie schöpferische Kraft neuer Technologien auf dem Arbeitsmarkt. Zweitenskönnen Arbeitsmarktgruppen identifiziert werden, die von dem Wandel besonders positiv oder negativ betroffen sind. Die Ergebnisse können unter anderem1

Arntz, Gregory, Zierahnals Grundlage dafür dienen, die Beschäftigungsfähigkeit von Risikogruppen inder Gesellschaft zu erhalten und zu erhöhen und somit der Gefahr technologischer Arbeitslosigkeit zu begegnen. Die Studie ist somit auch für die Bildungspolitik von großer Relevanz.In der wissenschaftlichen Literatur gibt es bislang jedoch nur wenige Studien,die versuchen, die Gesamteffekte auf Beschäftigung und Löhne abzuschätzen(vgl. Kap. 2.1). Dabei ist jedoch keine der existierenden Studien in der Lage, diemakroökonomischen Effekte des tatsächlichen Einsatzes digitaler Technologienin ihrer gesamten Breite zu quantifizieren und dabei die verschiedenen Wirkungskanäle zu identifizieren. Vielmehr schätzen die vorhandenen Ansätze denZusammenhang oftmals in einer sogenannten reduzierten Form, der keine Zerlegung des Effektes in die Teilmechanismen erlaubt (z.B. Autor und Dorn 2013).Zudem beruhen bisherige Studien zumeist auf der Annahme, dass Kapital Arbeitin subjektiv definierten Routinetätigkeiten ersetzt. Diese Ergebnisse hängen jedoch von der subjektiven Tätigkeitsklassifikation ab (vgl. Rohrbach-Schmidt undTiemann 2013). Auch wird der eigentliche Adaptionsprozess technischer Möglichkeiten in Form einer sich verändernden Arbeitsteilung zwischen Mensch undMaschine auf der Ebene der Betriebe dabei vernachlässigt. So werden Studienwie die von Frey und Osborne (2017) oftmals so interpretiert, dass technischeMöglichkeiten auch unmittelbar umgesetzt werden und zu entsprechenden Beschäftigungsverlusten führen. Der tatsächliche, oftmals deutlich verzögerte Einsatz dieser Technologien in den Betrieben wird daher vielfach gar nicht herangezogen. Wenn Studien wiederum die Wirkungen des tatsächlichen Technologieeinsatzes untersuchen, so beschränkt sich dieser bisher auf spezifische Technologien wie z.B. den Einsatz von Industrierobotern (vgl. Graetz und Michaels2015, Acemoglu und Restrepo 2017).Die vorliegende Studie schließt diese Forschungslücken und trägt somit zu einem besseren Verständnis der Zukunft der Arbeit bei. Insbesondere werden dieAuswirkungen der Digitalisierung auf die Gesamtbeschäftigung sowie die Bedeutung makroökonomischer Anpassungs- und Kompensationsmechanismenanalysiert. Dabei leistet die Studie drei wesentliche Beiträge zur wissenschaftlichen Literatur und schafft damit auch für die Politik eine wichtige Grundlage zurGestaltung der Zukunft der Arbeit:2

EinleitungZum einen zielt die Studie auf eine differenzierte und möglichst vollständige Erfassung des TWs, indem eine Betriebsbefragung durchgeführt wird, um den tatsächlich stattfindenden Einsatz von einfachen Technologien (Industrie 1.0/2.0),computergestützten Technologien (Industrie 3.0) sowie digital vernetzten Technologien (Industrie 4.0) zu erfassen. Der TW wird somit sowohl für Produktionsals auch Dienstleistungsbetriebe anhand ihrer tatsächlichen Betriebspraxis erhoben und erlaubt es, den substituierenden oder auch komplementären Charakter dieser Technologien für verschiedene Tätigkeitsfelder abzuschätzen. Einesolche Datenbasis war bislang nicht vorhanden und konnte durch die Förderungim Rahmen dieser Studie erstmalig geschaffen werden. die Studie trägt somitmaßgeblich zum Verständnis des tatsächlichen Wandels der Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine bei.Zweitens verfolgt die Studie das Ziel, die Gesamteffekte dieses tatsächlich inden Betrieben stattfindenden TW auf die Beschäftigung und andere Arbeitsmarktindikatoren abzuschätzen und die zugrundeliegenden Mechanismen offenzulegen. Zu diesem Zweck entwickeln wir ein strukturelles Modell des TWmit endogener Arbeitsnachfrage und einem endogenem Arbeitsangebot. Dabeiwerden auch die Nachfrageeffekte berücksichtigt, die unmittelbar durch dieHerstellung der neuen Technologien als auch deren Produktivitätswirkungenentstehen. Die ökonomischen Zusammenhänge des Modellrahmens werdenanschließend unter Verwendung der Informationen aus der Betriebsbefragungund einer Reihe weiterer Datensätze empirisch geschätzt. Im Ergebnis ist esmöglich, nicht nur die Veränderungen der Beschäftigungs- und Lohnstruktur imZuge des TWs abzuschätzen, sondern auch die bisher nur unzureichend adressierten Fragen bzgl. der Gesamtbeschäftigungseffekte zu beantworten.Drittens bildet die Abschätzung der Effekte für die Vergangenheit die Grundlagedafür, die entsprechenden Veränderungen in der näheren Zukunft (etwa fünfJahre) zu prognostizieren. Dazu werden in der Betriebsbefragung auch die Einschätzungen der Betriebe zum zukünftigen Einsatz von Maschinen und Kapitalerhoben. Die auf Basis der Vergangenheit empirisch geschätzten Zusammenhänge können somit genutzt werden, um die Auswirkungen dieser zukünftig erwarteten Arbeitsteilung auf die Arbeitsmarktentwicklung der näheren Zukunftunter bestimmten Annahmen abzuleiten. Dabei werden verschiedene Szenarien betrachtet, um Einblicke in die Bedeutung verschiedener Anpassungs- und3

Arntz, Gregory, ZierahnKompensationsmechanismen zu erhalten und der Politik damit Handlungsfelder für eine positive Gestaltung des TW aufzuzeigen. So kann einer Beschäftigungs- und Lohnpolarisierung im Fall eingeschränkter beruflicher oder sektoraler Mobilität durch bildungs- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen begegnetwerden, welche die Beschäftigten in die Lage versetzen, ihre Fähigkeiten demstrukturellen Wandel anzupassen. Bildungs- und arbeitsmarktpolitische Reaktionen reichen jedoch kaum aus, falls die Beschäftigungs- und Lohneffekte durcheine langsame Anpassung der Wirtschaftsstrukturen an die sich veränderndeGüter- und Dienstleistungsnachfrage zustande kommen. In diesem Fall ist esvielmehr wichtig, die Mechanismen zu verstehen, die über das Ausmaß der Gesamtbeschäftigungseffekte entscheiden.Die vorliegende Forschungsarbeit liefert somit wichtige Erkenntnisse für die Gestaltung der Zukunft der Arbeit, indem die Gesamtwirkungen des TW auf derBasis der tatsächlichen Diffusion neuer Technologien in die betriebliche Praxismittels eines strukturellen Modells geschätzt werden, das mit relativ wenig Annahmen auskommt und die Zerlegung der Wirkungen in verschiedene Mechanismen ermöglicht. Zudem werden die darauf aufbauenden Simulationen zukünftiger Arbeitsmarktentwicklungen durch den von den Betrieben erwartetenzukünftigen Technologieneinsatz empirisch gestützt.Die Studie gliedert sich wie folgt. Abschnitt 2 gibt einen Überblick über denStand der Literatur sowie die in dieser Studie adressierten Forschungsfragen.Abschnitt 3 beschreibt die Konzeption und Durchführung der Betriebsbefragungzur Erfassung des Technologieeinsatzes in Deutschland. Abschnitt 4 analysiertauf Basis dieser Befragung die in Deutschland stattfindende Diffusion neuer digitaler Technologien. Abschnitt 5 stellt das theoretische Modell zur Abschätzung der Gesamteffekte auf Beschäftigung und Löhne vor, indem die verschiedenen, in das strukturelle Modell einfließenden ökonomischen Zusammenhänge vorgestellt werden. Abschnitt 6 betrachtet nun zunächst die Auswirkungen eines sich verändernden Technologieeinsatzes in den Betrieben auf die betriebliche Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine, bevor Abschnitt 7 dieempirische Abschätzung der einzelnen, in das strukturelle Modell einfließendenökonomischen Zusammenhänge und deren Datenbasis erläutert sowie die darauf beruhenden Gesamteffekte des TW vorstellt. Zudem wird dieser Gesamteffekt in verschiedene Mechanismen zerlegt. Zuletzt beschreibt Abschnitt 8 die4

EinleitungSimulationen der Arbeitsmarktentwicklung in der näheren Zukunft und diskutiert dafür verschiedene Szenarien. Abschnitt 9 schließt mit einem Fazit sowiePolitikimplikationen.5

Arntz, Gregory, Zierahn2Stand der Literatur und Forschungsfragen2.1Stand der Literatur und Forschungslücken2.1.1Effekte der Digitalisierung auf die Lohn- und BeschäftigungsstrukturDie aktuelle Forschung zu den Folgen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarktfokussiert vor allem auf die induzierten Veränderungen der Lohn- und Beschäftigungsstruktur. Durch digitale Technologien können zunehmend sogenannteRoutinetätigkeiten erbracht werden, da sich diese leicht kodifizieren und inForm von Routinen durch Computer automatisieren lassen. Solche Tätigkeitenwerden häufig von mittleren Einkommensgruppen ausgeübt, wie beispielsweise von Buchhaltern, Sachbearbeitern, oder repetitiven Produktionsarbeitern. Nichtroutinetätigkeiten lassen sich dagegen bisher nicht durch Computererbringen. Diese sind sowohl in hohen, als auch in niedrigen Einkommensgruppen anzutreffen und umfassen einerseits manuelle Tätigkeiten, welche komplexes, situationsangepasstes Verhalten voraussetzen (z.B. Frisöre, LKW-Fahrer oder Kellner). Andererseits betrifft es kognitive Tätigkeiten, welche Flexibilität,Kreativität oder Problemlösungskompetenz erfordern (z.B. Manager, Ärzte, Juristen). Dies führt zu einem Tätigkeitswandel, bei dem die Nachfrage nachmenschlicher Arbeit in Routinetätigkeiten relativ zu menschlicher Arbeit inNichtroutinetätigkeiten zurückgeht. Die Veränderung der Arbeitsnachfragekann sowohl dazu führen, dass die Beschäftigung in Routine-Berufen relativ zunicht-Routine-Berufen zurückgeht, als auch dazu, dass sich die Tätigkeitsstrukturen innerhalb der Berufe selbst verändern (Acemoglu und Autor 2011).Der Tätigkeitswandel ist in vielen Ländern zu beobachten, wie etwa in den USA(Autor et al. 2003, 2006), Deutschland (Spitz-Oener 2006), Großbritannien(Green 2012, Goos und Manning 2007), verschiedenen europäischen Ländern(Goos et al. 2009, 2014, Oesch und Rodríguez Menés 2011), Schweden (Adermon und Gustavsson 2011) und Japan (Ikenega und Kambayashi 2010). Zwarfindet dieser Wandel durch eine Veränderung der Anteile von Berufe mit unterschiedlichen Tätigkeitsstrukturen statt, zu einem großen Teil passen sich aberdie Tätigkeitsstrukturen innerhalb der Berufe selbst an, wie Autor et al. (2003)für die USA und Spitz-Oener (2006) für Deutschland zeigen. Da Routinetätigkeiten vor allem in Berufen mit mittlerer Entlohnung relativ weit verbreitet sind,6

Stand der Literatur und Forschungsfragenkann es zu einer Beschäftigungs- und Lohnpolarisierung kommen. Bei der Beschäftigungspolarisierung sinkt der Anteil der Beschäftigten im mittleren Lohnsegment relativ zu den Polen (hohes und niedriges Einkommen). Bei der Lohnpolarisierung wachsen die Löhne im mittleren Lohnsegment langsamer als anden Polen. In den USA findet sowohl eine Beschäftigungs-, als auch eine Lohnpolarisierung

2015, Acemoglu und Restrepo 2017). Die vorliegende Studie schließt diese Forschungslücken und trägt somit zu ei-nem besseren Verständnis der Zukunft der Arbeit bei . Insbesondere werden die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Gesamtbeschäftigung sowie die Be-deutung makroökonomischer Anpassungs- und Kompensationsmechanismen analysiert.