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Expertenwissen für DGQ-MitgliederModerne Ansätze derQualitätssicherung inder Serienfertigung

Expertenwissen für DGQ-MitgliederModerne Ansätze der Qualitätssicherung in der SerienfertigungVon Benedikt Sommerhoff, Agathe Brecht, Malte Fiegler1. EinleitungNeue Möglichkeiten flexibler Fertigungssteuerung, neueMess- und Handhabungssysteme sowie eine zunehmendeVariantenvielfalt in Reaktion auf individuelle Kundenanforderungen prägen heute die Serienfertigung. Dementsprechend lässt sich auch eine Weiterentwicklung derAnforderungen an die Qualitätssicherung erwarten, die inProdukten und an den Leistungsprozessen, insbesondereden Prozessen der Entwicklung, des Einkaufs und derFertigung. Qualitätssicherung ist ein klassisches Feld fürIngenieure und Techniker, für die das Verständnis fürMaterial, Produktdesign und Fertigungsprozesse Teil desberuflichen Selbstverständnisses und auch Kernkompetenz ist.den sich insgesamt immer weiter verschlankenden Orga-Die Betrachtung der Qualitätssicherung als Teilmenge desnisationen zudem vollständig in die FertigungsprozesseQualitätsmanagements sagt allerdings nicht aus, dasseingebunden sein muss, um schnittstellenarme, schlankeeine Organisationseinheit für Qualitätssicherung TeilProzesse zu ermöglichen.einer Qualitätsmanagementabteilung sein muss. Die Fra-Die Deutsche Gesellschaft für Qualität hat in einer aktuellen Studie mittels Expertenbefragung den Nutzungs-gestellung einer modernen organisatorischen Anbindungsoll daher explizit Beachtung finden.grad klassischer sowie das Aufkommen neuer, moderner2. Ausgangssituation, Fragestellungen und methodischeAnsätze der Qualitätssicherung in der Serienfertigung un-Vorgehensweisetersucht. Die Ergebnisse der Studie sollen Entwicklungen2.1. Ausganssituation der Qualitätssicherungund Trends aufzeigen und die Neubewertung heute prak-Seit dem Wiederaufbau der deutschen Industrie in dentizierter Qualitätssicherungsansätze ermöglichen.50er Jahren ist die Qualitätssicherung in den Unterneh-Die Interpretation der Studie erfordert zunächst eineAbgrenzung der Qualitätssicherung vom Qualitätsmanagement, denn sie behandelt gerade nicht das gesamteweite Feld des Qualitätsmanagements insgesamt, sondernganz bewusst ein wichtiges Teilgebiet. Und als Teilgebiet klassifiziert schon die ISO 9000 (EN ISO 9000:2005Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe)die Qualitätssicherung, denn sie definiert sie als „Teil desQualitätsmanagements, der auf die Erfüllung von Qualitätsanforderungen gerichtet ist“. Hat sich das Qualitätsmanagement insgesamt in den letzten Jahren zu einerimmer ganzheitlicheren Disziplin entwickelt – und seinenFokus auch ein wenig vom Produkt und Prozess wegbe2wegt – ist die Qualitätssicherung nach wie vor nah an denmen etabliert. Die zeitgenössischen Namen Güteprüfung,Gütekontrolle oder Qualitätskontrolle waren zunächstzugunsten der Bezeichnung Qualitätssicherung und später auch der Bezeichnung Qualitätsmanagement in denHintergrund getreten.Das Fachgebiet Qualitätssicherung war die Keimzelle desFachgebiets Qualitätsmanagement und die StatistischeQualitätskontrolle war über Jahrzehnte das die Qualitätssicherung prägende Thema. Und die Serienfertigungist der eigentliche Geburtsort der Qualitätssicherung.Dort entstanden Fachgebiet, spezifischer QM- und QSMethodeneinsatz und die QM-Ausbildung, weil Bedarfund Wirksamkeit zunächst am größten waren. Die dama-Moderne Ansätze der Qualitätssicherung in der Serienfertigung

lige Abteilung Qualitätssicherung war der Vorläufer dergleiches Methodenportfolio einsetzt, was waren dennspäteren Abteilung Qualitätsmanagement. Doch Quali-bisher seine Trends und Innovationen und ist heute über-tätsmanagement hat Qualitätssicherung nicht ersetzt,haupt erkennbar, dass wichtige Neuerungen auf die Quali-es stellt vielmehr eine Erweiterung von Zuständigkeitentätssicherung zukommen? Die Entwicklung der letzten 40und Aufgaben sowie von Methoden und Werkzeugen dar.Jahre ist im Wesentlichen durch zwei Trends geprägt.Dabei ist die Qualitätssicherung selbst in ihrem Aufgaben- und Methodenportfolio nahezu konstant geblieben.Es sind drei große Zuständigkeiten, die die Qualitätssicherung dominieren: Messen und Prüfen, Fehlermanagement und AnforderungsmanagementDas ist zum einen die Adaption der Techniken undAusschöpfung der Möglichkeiten der Informationstechnologie. In einer derart datenintensiven und von jehertechnisch geprägten Disziplin wie der Qualitätssicherungsind Entwicklungen der IT sehr unmittelbar nutzbar. DieQS-Spezialisten mit ihrer technischen Grundausbildunggehörten in den meisten Unternehmen zu den PionierenDas Qualitätsmanagement umfasst zusätzlich die Zustän-der IT-Anwendung. Die bis dahin händisch genutzten Me-digkeit derthoden fanden schnell ihre Umsetzung in QS-spezifischen Managementsystemgestaltung.Als zukünftige Zuständigkeit zeichnet sich Organisationsentwicklung [3, 4] ab.Sehr früh war das heutige Methodenportfolio der Qualitätssicherung umrissen und ist heute im Grundsatznahezu unverändert. Mess- und Prüfmethoden, statistische Methoden sowie Methoden der Fehler- undFehlerursachenanalyse machten früh den Großteil diesesPortfolios aus. Audittechniken lassen sich entweder derZuständigkeit Messen und Prüfen zuordnen, wenn sieim Schwerpunkt Konformitätsprüfung leisten, oder demFehlermanagement, wenn sie im Schwerpunkt auf dieIdentifikation von Verbesserungspotenzialen ausgerichtetsind. KVP-Aktivitäten lassen sich ebenfalls dem Fehlermanagement zuordnen. Das Anforderungsmanagementumfasst bezogen auf die Qualitätssicherung vornehmlichdie Übersetzung gesetzlicher und kundenspezifischer(vertraglicher) Anforderungen in Produkt- und Prozessmerkmale. Die dafür eingesetzte Methode QFD entstandschon in den 70er Jahren für die Unterstützung dieserAufgabe. Im Qualitätsmanagement ist diese Zuständig-Softwarelösungen.Des Weiteren fand - beginnend mit dem Aufkommenvon TQM in den 70ern und befeuert durch die QM-Systemzertifizierung Ende der 80er Jahre - der Ausbau derQualitätssicherung zum Qualitätsmanagement statt. Fürdie QS-Spezialisten wurde es persönlich attraktiv, Qualitätsmanager zu werden. Die mit der erweiterten Aufgabeeinhergehende Themen- und Zuständigkeitserweiterunghat aber bei vielen dazu geführt, dass weniger Ressourcen für die originären Aufgaben der Qualitätssicherungzur Verfügung standen und mit der Zeit Erfahrungenund Kompetenzen verkümmerten. Herausragendes Opferdieser Entwicklung ist die statistische Qualitätskontrolle.Die Situation der Fertigungsbetriebe hatte sich nicht sogeändert, dass diese obsolet geworden wäre. Vielmehrhatten Aufgabenverlagerung zum QM, verbunden mitAufstiegschancen für die neuen Qualitätsmanager sowiedie zunehmende Softwareunterstützung statistischer Methoden zu einem eklatanten Einbruch bei der Statistikausbildung des Qualitätspersonals und damit einhergehendzur Erosion des Einsatzes statistischer Methoden geführt.keit gegenüber der Qualitätssicherung noch erweitert umDie Ausgangssituation für eine aktuelle BetrachtungÜbersetzung von Anforderungen an das Managementsy-moderner Ansätze der Qualitätssicherung, verbunden mitstem und an die gesamte Organisation. Wie das QFD (70ereiner Identifikation sich heute abzeichnender zukünftigerJahre) sind auch andere Methoden und Philosophien derTrends, ist somit geprägt durch eine außerordentlichQualitätssicherung schon mehrere Jahrzehnte im Einsatz.lange Phase der Stabilität hinsichtlich Zuständigkeit undDie FMEA stammt aus 1949, wird seit 1970 in der Auto-Aufgaben sowie der eingesetzten Methoden und Werk-mobilindustrie eingesetzt, die Null-Fehler-Philosophie auszeuge. Die weitreichende Technisierung der QS-Methodenden 60er Jahren. Die „Sieben Werkzeuge der Qualität“durch Softwareunterstützung und die Erweiterung derstammen aus den 40er Jahren.Qualitätssicherung zum Qualitätsmanagement liefertenWenn also die Qualitätssicherung über Jahrzehnte mitden gleichen Aufgaben befasst war und ein im Grundein den letzten 40 Jahren die wesentlichen Impulse fürEntwicklung und Veränderung.3

Expertenwissen für DGQ-MitgliederMachen also modern gestaltete Softwaretools und futuri-grundlegend und zukunftsprägend sind? Dieser Frage willstische Messapparaturen heute aus, was moderne Quali-die vorliegende, auf eine eigens durchgeführte Studie undtätssicherung ist? Oder gibt es heute erkennbare Verän-vorhandene Trendprognosen gestützte Arbeit nachgehen.derungen, Entwicklungen und Schlüsselinnovationen, die2.2 Trendszenario QM 2020 und Konsequenzen für die QualitätssicherungEin durch Übersetzung einer bestehenden Trendprognose für Deutschland [1] entstandenes Trendszenario QM2020[2, 3] (s. Bild 1) zeigt Trends für das Qualitätsmanagement. Darunter sind auch Trends, die für die Qualitätssicherungprägend sind. Dazu gehören insbesondere: wachsende Komplexität und Vielfalt der Produkte und Dienstleistungen, fortschreitende Automatisierung von Messung und Fehlerhandling und die Expansion der Datenbasis und des Wissens („Big Data“).Bild 1: Trendszenario QM 2020 [2]Die wachsende Komplexität der Produkte wirkt sichDamit eng verknüpft, aber auch durch andere Quellenbesonders stark auf die Prozesse der Entwicklung undgespeist, ist der enorme Anstieg der Datenvolumina undder Fertigung sowie auf die Fertigungssteuerung aus unddie Notwendigkeit, daraus z. B. Wissen über Prozesse,berührt somit viele Qualitätssicherungsaspekte. Die fort-Fehlerursachen und zur Prozessteuerung zu generieren.schreitende Technik bei der Automatisierung von Messung und Fehlerhandling unterstützt viele Bestrebungender Qualitätssicherung und eröffnet neue Möglichkeiten.4Moderne Ansätze der Qualitätssicherung in der Serienfertigung

2.3 Ausgangsthesen und resultierende Fragestellungen2.4 Methodische VorgehensweiseAnknüpfend an die in der obigen Betrachtung der Aus-In Rahmen der Reihe DGQ Monitor befragt die Deutschegangssituation der Qualitätssicherung sowie der Pro-Gesellschaft für Qualität (DGQ) in ihrem Netzwerk regel-gnosen aus dem Trendszenario QM2020 kristallisierenmäßig zu den Themen, die für die erfolgreiche Steuerungsich Ausgangsthesen heraus und es ergeben sich einigeeiner Organisation relevant sind.Fragestellungen.Die vorliegende Arbeit basiert auf einer Online-Experten-These: Seit 60 Jahren gibt es nur wenige grundlegendebefragung der DGQ, an der sich in Juli und August 2013Veränderungen und Schlüsselinnovationen in der Quali-150 Spezialisten aus der Qualitätssicherung beteiligttätssicherung. Ihr Methodenportfolio ist seit Jahrzehntenhaben.nahezu unverändert. Allerdings gibt es zurzeit tiefgreifende technische und organisatorische Innovationen undVeränderungen in produzierenden Unternehmen, vondenen zu erwarten ist, dass sie sich auf Organisation undMethodenportfolio der Qualitätssicherung auswirken undauch dort Veränderungen auslösen.Fragen: Gibt es heute in der Qualitätssicherung Innovationen und grundlegende Veränderungen oder stehen sie innaher Zukunft bevor? Welches sind die relevanten QS-Philosophien, -Methoden und –Werkzeuge? Welche verlieren,welche gewinnen an Bedeutung? Wie wirken sich aktuelleund vorhersehbare Veränderungen im Fertigungs- undEntwicklungsbereich auf die Qualitätssicherung aus?These: Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung driften auseinander. Die ursprüngliche Anbindung der Spezialisten für Qualitätssicherung an die Organisationseinheitfür Qualitätsmanagement löst sich zunehmend auf. DieQualitätssicherung wird folgerichtig immer häufiger anEntwicklungs- oder Fertigungsabteilungen angebunden.Fragen: Ist es heute noch angemessen, die Organisationseinheit für Qualitätssicherung an die Organisationseinheit für Qualitätsmanagement anzubinden? Welches sinddie heute in der Praxis gebräuchlichen Zuordnungen? Istes heute noch angemessen, das Fachgebiet Qualitätssicherung als Teilmenge des Fachgebiets Qualitätsmanagements anzusehen?Und nicht zuletzt bewegt viele Führungskräfte, Qualitätsmanager und Spezialisten der Qualitätssicherung inproduzierenden Unternehmen die grundsätzliche Frage:Welches sind für mein Unternehmen nützliche Weiterentwicklungsoptionen für unsere Qualitätssicherung?Im Fokus standen dabei die branchen- und funktionsübergreifende Analyse von Methoden, Prozessen und Organisationsstrukturen sowie die Frage nach den aktuellenTrends.GrößenklassenÜber die Hälfte der Befragten mit Angaben zur Mitarbeiteranzahl arbeiten für ein Unternehmen mit bis zu 500Mitarbeitern. Annähernd ein Drittel kommt aus einemgrößeren Unternehmen (über 500-4000 Mitarbeiter). Dieverbleibenden 14% sind in großen Unternehmen oderKonzernen (mehr als 4000 Mitarbeitern) tätig.BranchenEin breites Spektrum lässt sich auch mit Blick auf dieuntersuchten Branchen abbilden. Wobei der AutomotiveSektor, der Maschinen- und Anlagenbau sowie die Elektrotechnik bzw. Elektronikbranche am stärksten vertretensind – gefolgt von den Bereichen Kunststoffverarbeitungund Medizintechnik.Kriterium QM-ErfolgEin Ansatz zur differenzierten Betrachtung der gewonnenen Daten ist die Nutzung einer weiterführendenKategorisierung. Unter anderem wurde hier bezüglichdes QM-Erfolges in den Unternehmen eine entsprechendeGruppierung der Teilnehmer vorgenommen:Basierend auf der Selbsteinschätzung der Befragten zueinem Set unternehmenseigener QM-Erfolgsfaktoren(Einordnung auf einer 5-stufige bipolaren Bewertungsskala – verglichen mit dem angenommenen Branchendurchschnitt) konnten so drei Klassen gebildet werden:Unternehmen mit erfolgreichen QM-Systemen, die durchschnittlichen QM-Nutzer und Organisationen mit wenigererfolgreichen QM-Systemen.5

Expertenwissen für DGQ-Mitglieder3. Ergebnisse der ExpertenbefragungDer Einsatz von Methoden und Werkzeugen der Qualitätssicherung findet meist im Kontext grundlegender, übergeordneter Qualitätsphilosophien statt. Auf die folgende gestützte Frage hin, haben die Teilnehmer ihre Qualitätsphilosophien benannt; Mehrfachnennungen waren zulässig:Welche Qualitätsphilosophie verfolgt ihr Unternehmen beziehungsweise die betrachtete Organisationseinheit?Werkerselbstprüfung73,1%Nu

Six-Sigma-Ansatz Produktionssystem (in Anlehnung an Toyota) Autonome Gruppenarbeit Operational Excellence Business Excellence (EFQM, MBNQA oder vergleichbar) 78,3% 60,9% 50,0% 56,5% 30,4% 30,4% 26,1% 78,9% 42,1% 36,8% 10,5% 26,3% 15,8% 10,5% Werkerselbstprüfung Null-Fehler-Konzept (Zero Defect) Lean-Management-Ansatz TQM-Philosophie (ganzheitlicher QM-Ansatz) Poka-Yoke-Ansatz Six-Sigma