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HELIOS Klinikum ErfurtTherapeutisches Konzept derPsychiatrie, Psychotherapieund PsychosomatikProf. Dr. med. Ralf SchlösserVersion: 05.01.2015

Inhalt1 Übersicht32 Stationäre Versorgungsangebote2.1 Station 132.1.1 Diagnostische Schwerpunkte2.1.2 Therapeutische Schwerpunkte2.2 Station 22.2.1 Diagnostische Schwerpunkte2.2.2 Therapeutische Schwerpunkte2.3 Station 32.3.1 Diagnostische Schwerpunkte2.3.2 Therapeutische Schwerpunkte2.4 Station 42.4.1 Diagnostische Schwerpunkte2.4.2 Therapeutische Schwerpunkte334444553 Psychiatrische Tagesklinik54 Psychiatrische Institutsambulanz (PIA)4.1 Allgemeinpsychiatrische Ambulanz55 Leistungsspektrum5.1 Akut- und Notfallpsychiatrie65.2 Integrative psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung65.3 Psychische Erkrankungen des älteren Menschen105.4 Psychosomatische Medizin105.2.1 Angsterkrankungen5.2.2 Affektive Störungen5.2.3 Abhängigkeitserkrankungen5.2.4 Persönlichkeitsstörungen5.3.1 Depressionen/Angsterkrankungen5.3.2 Demenzerkrankungen6 Therapeutische Angebote6.1 Voraussetzungen6.1.1 Evidenzbasierte Therapie6.1.2 Multimodale Therapie6.1.3 Störungsspezifische modulare Psychotherapie6.2 Störungsspezifische therapeutische Angebote6.2.1 Depressionsgruppe6.2.2 Angstbewältigung6.2.3 2.4 Psychosen-Psychotherapie6.2.5 Psychoedukation6.2.6 Qualifizierte Entgiftung bei Alkohol- 2

6.3 Ressourcenorientierte therapeutische Angebote6.3.1 Fokusgruppen auf den Stationen6.3.2 Achtsamkeitstraining6.3.3 Soziales Kompetenztraining6.3.4 Kognitives Training6.3.5 Entspannungsverfahren6.3.6 Musiktherapie6.3.7 Kunsttherapie6.3.8 Sporttherapie6.3.9 Ergotherapie6.3.10 Arbeitstherapie6.3.11 Soziale Trainings und Belastungserprobungen6.3.12 Physiotherapie6.3.13 Kochgruppe/Backgruppe6.4 Einzelgespräche1313131414141415151516161616166.5 Angehörigenarbeit166.6 Entlassungsvorbereitung und weitere Maßnahmen176.7 Lichttherapie176.8 Psychopharmakotherapie177 Diagnostik178 Konsildienst179 Notfallversorgung1710 Sozialdienst1811 Aus- und Weiterbildung11.1 Ärztliche Weiterbildung11.2 Psychologische Psychotherapeuten11.3 Studentische Ausbildung (Medizin)11.4 Klinikinterne Weiterbildung181818181812 Wissenschaftliche Tätigkeit1913 Kooperationspartner1914 Literaturverzeichnis193

1 ÜbersichtIn der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik wird das gesamte Spektrum psychiatrischerErkrankungen behandelt. Das ganzheitliche Behandlungskonzept berücksichtigt neurobiologische, psychische undsoziale Faktoren.2 Stationäre VersorgungsangeboteDas stationäre Behandlungsangebot der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik stützt sich aufintegrative Behandlungskonzepte. Die Behandlung erfolgte altersübergreifend auf allen Stationen. Dabei werdenim therapeutischen Angebot und der der jeweiligen gezielten Diagnostik Schwerpunkte entsprechend der vorrangig behandelten Störungen gesetzt. Hierzu gehören u.a. folgende Maßnahmen: Psychiatrische Exploration Systematische Erhebung der biografischen Anamnese Operationalisierte, standardisierte Diagnostik Operationalisierte Persönlichkeitsdiagnostik Neuropsychologische Testung Laborchemische und toxikologische Untersuchungen Bildgebende Verfahren wie CT, MRT, PET, SPECT EEG-Untersuchungen2.1 Station 1Auf der Station 1 werden vorrangig Patienten behandelt, die an einer psychotischen Störung oder anderen psychischen Störungen mit psychotischen Anteilen leiden. Hierzu gehören Schizophrenien, affektive Störungen mitpsychotischen Merkmalen und organisch bedingte psychische Störungen. Entsprechend der engen psychopathologischen Nähe steht oftmals die differentialdiagnostische Abklärung und Abgrenzung der beginnenden Psychosen oder einer Prodromalsymptomatik von nicht psychotischen Erkrankungen wie z.B. affektive Störungen oderPersönlichkeitsstörungen im Vordergrund. Dies erfordert eine enge interdisziplinäre diagnostisch-therapeutischeArbeit mit den Patienten.2.1.1 Diagnostische Schwerpunkte Diagnostik und Früherkennung von schizophrene Erkrankungen Differentialdiagnostisch psychotischer und affektiver Störungen Bedingungsanalyse von psychischen Störungen wie Depressionen, Belastungsreaktionen und anderenkrisenhaften Verläufen zur Vorbereitung einer Psychotherapie Standardisierte Persönlichkeitsdiagnostik Neuropsychologische Diagnostik Organische Differentialdiagnostik2.1.2 Therapeutische Schwerpunkte Differentielle Pharmakotherapie der psychotischen Erkrankungen mit modernen Antipsychotika und anderenzur Verfügung stehenden Substanzen. Angestrebt ist eine Minimierung von Nebenwirkungen bei gleichzeitighoher Effizienz Einzel- und Gruppenpsychotherapie Verhaltenstherapeutische Angebote Ergo- und physiotherapeutische Angebote Sporttherapie Musiktherapeutische Elemente Entspannungstherapie in der Gruppe Soziotherapie4

2.2 Station 2Auf der Station 2 wird ein integriertes psychiatrisch-psychotherapeutisches Behandlungskonzept primär fürPatienten mit depressiven Reaktionen, Angsterkrankungen, Anpassungsstörungen und Persönlichkeitsstörungenbereitgestellt2.2.1 Diagnostische Schwerpunkte Intensive Verhaltens- und Bedingungsanalyse des Störungsverhaltens Festlegung von Angst- und Zwangshierarchien Eine ausführliche begleitende Psychodiagnostik dient der Therapieplanung und -evaluation.2.2.2 Therapeutische Schwerpunkte Psychiatrische Behandlung Systematische Verhaltenstherapie Einzel- und Gruppenpsychotherapie Psychoedukation Verhaltenstherapeutische Angebote Ergo- und physiotherapeutische Angebote Sporttherapie Musiktherapie Entspannungstherapie in der Gruppe SoziotherapieJe nach Indikation nehmen die Patienten an einer oder mehreren Gruppentherapie/-n teil.2.3 Station 3Auf der Station 3 werden Patienten mit psychischen oder Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzenbehandelt. Zudem werden Patienten mit polyvalenter Sucht einschließlich Abhängigkeit von illegalen Drogen, Patienten mit komorbiden psychiatrischen Störungen, chronisch sowie mehrfach geschädigte Patienten betreut.2.3.1 Diagnostische Schwerpunkte Suchtspezifische Exploration Systematische Erhebung der psychiatrischen und biografischen Anamnese Diagnostik und Monitoring von Vitalparametern2.3.2 Therapeutische Schwerpunkte Motivierende GesprächsführungQualifizierte EntzugsbehandlungEinzel- und spezifische und störungsübergreifende Gruppentherapie je nach IndikationPsychoedukationErgo- und physiotherapeutische iales KompetenztrainingEntspannungstherapie in der GruppeSoziotherapieEnge Kontakte bestehen zu den Selbsthilfegruppen für Abhängige.Psychotrop wirkende Präparate werden gezielt und syndromspezifisch eingesetzt, wenn dies erforderlich wird.Hierzu gehören beispielsweise Entzugssymptome mit entsprechender psychopathologischer und vegetativer Symptomatik, epileptische Anfälle oder produktiv-psychotische Symptomatik.5

2.4 Station 4Die Station 4 erfüllt die psychiatrische Akut- und Notfalltherapie. Behandelt werden Patienten, die an akutenpsychischen Störungen erkrankt sind. Hierzu gehören akute Psychosen, Exazerbationen affektiver Erkrankungensowie Angst- und Panikstörungen, Alkohol- und Drogenentzugssyndrome und -intoxikationen, Suizidalität, akuteBelastungsreaktionen auf psychisch traumatisierende Lebensereignisse, Verwirrtheits-, Aggressions- und Erregungszustände bei organischen Psychosen, Demenzen sowie krisenhafte Dekompensationen von Persönlichkeitsstörungen.2.4.1 Diagnostische Schwerpunkte Laborchemische und toxikologische UntersuchungenEEG-UntersuchungenBildgebende Verfahren wie CT, MRT, PET, SPECTPersönlichkeits- und erweiterte Psychodiagnostik2.4.2 Therapeutische Schwerpunkte Behandlung akuter und schwer erkrankter Patienten.Supportive PsychotherapieGespräche zur KriseninterventioinIndividuelle PharmakotherapieAbwendung von Eigen- und Fremdgefährdung.Intensive klinische Beobachtung3 Psychiatrische TagesklinikIn der Tagesklinik werden Patienten mit subakuten bzw. abklingenden Störungsbildern behandelt. Die Tagesklinikist insbesondere für Patienten geeignet, die an einem intensiven täglichen Therapieangebot teilnehmen, gleichzeitigjedoch die Nähe zum häuslichen Umfeld bewahren möchten. Die Behandlungsform setzt eine ausreichende psychische Stabilität voraus, um in der eigenen Wohnung zu übernachten und das Wochenende zuhause zu verbringen.Das therapeutische Spektrum umfasst neben tagesstrukturierenden Maßnahmen gruppen- und einzelpsychotherapeutische Maßnahmen. Neben den tagesklinik-spezifischen Fokusgruppen und einem milieutherapeutischenAngebot werden die Patienten in ein modulares, störungsspezifisches psychotherapeutisches Angebot einbezogen.Aufgrund des möglichen Erhalts vieler normaler Lebensbezüge während des teilstationären Aufenthalts kann auchverschiedenen Formen von Belastungserprobungen besondere Beachtung geschenkt werden.4 Psychiatrische Institutsambulanz (PIA)4.1 Allgemeinpsychiatrische AmbulanzDie Institutsambulanz ermöglicht die Therapie von Patienten mit schweren psychiatrischen Erkrankungen, dieeiner intensiveren ambulanten Betreuung bedürfen. Termine können telefonisch abgestimmt werden. Ein ambulanter Erstkontakt empfiehlt sich insbesondere dann, wenn eine stationäre oder teilstationäre Behandlung angestrebtist, sich die Patienten bezüglich der gewählten Behandlungsform noch unsicher sind und zusätzlichen Beratungsbedarf haben.Spezielle Angebote: Suchttherapeutische Ambulanz Psychosen Depressionen6

5 Leistungsspektrum5.1 Akut- und NotfallpsychiatrieAkut- und notfallpsychiatrische Behandlungen erfolgen auf einer geschützten Aufnahmestation.Behandelt werden insbesondere Akute schizophrene Psychosen Exazerbationen affektiver Erkrankungen sowie von Angst- und Panikstörungen Alkohol- und Drogenentzugssyndrome und -intoxikationen Drogenassoziierte Psychosen Akute Belastungsreaktionen auf psychisch traumatisierende Lebensereignisse Verwirrtheits-, Aggressions- und Erregungszustände bei organischen Psychosen, Demenzen Krisenhafte Verläufe im Rahmen von PersönlichkeitsstörungenBesonderer Wert wird darauf gelegt, Patienten in akuten Erkrankungsphasen Sicherheit zu geben und die Ängstezu nehmen, die mit einer akuten psychischen Erkrankung bzw. Krise einhergehen können. Dafür stehen verschiedene psychotherapeutische und pharmakologische Maßnahmen bereit. Alle diagnostischen und therapeutischenMaßnahmen werden von einem professionellen geschulten Team in einem angenehmen Stationsambiente durchgeführt. Die Maßnahmen erfolgen für die Patienten nachvollziehbar und transparent. Therapeutische Ziele undMaßnahmen werden in den Visiten unter maximaler Berücksichtigung der Wünsche des Patienten gemeinsamerarbeitet und festgelegt.5.2 Integrative psychiatrisch-psychotherapeutische BehandlungIn einem auf offenen Stationen durchgeführten integrativen Konzept wird das gesamte Spektrum psychiatrischerErkrankungen behandelt. Psychotische Störungen (insbesondere Schizophrenien, drogenassoziierte Psychosen) Affektive Störungen (Depressionen, Manien, bipolare Erkrankungen) Organisch bedingte psychische Störungen (Demenzen, andere hirnorganische Erkrankungen) Angst- und Zwangserkrankungen Persönlichkeitsstörungen Posttraumatische Belastungsstörungen5.2.1 AngsterkrankungenAngsterkrankungen sind durch verschiedene Erscheinungsformen der Angst gekennzeichnet.Dabei muss die normale Angst als Alarmfunktion für den Organismus von der pathologischen Angst, bei der dieAngstsymptome scheinbar grundlos auftreten können, unterschieden werden.Hauptformen sind:5.2.1.1 AgoraphobieAngst, sich an Orten oder Institutionen zu befinden; Angst vor plötzlichem Auftreten von hilflos machenden oderpeinlichen Symptomen; Vorstellung, Flucht sei nur schwer möglich oder aber keine Hilfe verfügbar; Angst, dieSituation nicht mehr verlassen zu könnenTypische angstauslösende Situationen umfassen: Menschenmengen Öffentliche Plätze Reisen alleine oder weit von zu Hause entfernt5.2.1.2 Soziale PhobieEs besteht eine anhaltende Angst vor Situationen, in denen die Person im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht.Die Angst wird als übertrieben oder unvernünftig empfunden und führt in der Regel zu ausgeprägtem Vermeidungsverhalten (z.B. sich nicht mehr aus dem Haus trauen)7

Typische Situationen In Öffentlichkeit sprechen: Angst, etwas Lächerliches zu sagen oder nicht antworten zu können Im Supermarkt an der Kasse5.2.1.3 PanikattackenPanikattacken sind gekennzeichnet von plötzlich auftretenden starken Ängsten, die mit einer Reihe von psychischen und körperlichen Symptomen einhergehen können.Symptome Herzrasen Hitzewallungen Beklemmungsgefühle Zittern Schwitzen Atemnot Magen-Darm-Beschwerden Ohnmachtsgefühle Angst vor Kontrollverlust Angst, zu sterben5.2.1.4 Generalisierte AngststörungEs besteht eine unrealistische oder übertriebene Angst und Besorgnis bezüglich allgemeiner oder besondererLebensumstände. Die Angst besteht über einen längeren Zeitraum und schwankt allenfalls in der IntensitätBeispiele: Sorge, dem eigenen Kind, das sich nicht in Gefahr befindet, könne etwas zustoßen Geldsorgen, ohne dass dafür ein triftiger Grund bestehtTherapie der AngsterkrankungenPatienten mit einer Angststörung werden in der Klinik in ein psycho- und ggfs. auch pharmakologisches Therapieprogramm integriert. An erster Stelle steht die Psychotherapie. Diese umfasst: Angstexpositionsübungen (systematische Annäherung an die Angst) Selbstsicherheitstraining Entspannungstraining Gruppenpsychotherapie Belastungserprobung Erkennen von wiederkehrenden Mustern des Angsterlebens (Biografiearbeit, frühe Beziehungsmuster,Erkennen typischer Konfliktmuster)5.2.2 Affektive StörungenAllgemeine Definition Krankhafte Veränderung der Stimmung (Affektivität) Meist zur Depression oder zur gehobenen Stimmung (Manie) hin Verlauf in der Regel phasenhaft (zeitlich umschriebene Krankheitsepisoden mit gesunden Intervallen)DepressionenTypische Symptome Gedrückte Stimmung Interessenverlust, Freudlosigkeit Verminderung des Antriebs, erhöhte ErmüdbarkeitWeitere Symptome Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen8

Schuldgefühle und Gefühle von WertlosigkeitNegative und pessimistische ZukunftsperspektivenSuizidgedanken, erfolgte Selbstverletzung oder SuizidhandlungenSchlafstörungenVerminderter AppetitMindestdauer: 2 Wochen5.2.3 AbhängigkeitserkrankungenEs werden Patienten mit psychischen oder Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen behandelt. Auchnicht stoffgebundene Abhängigkeiten können behandelt werden (Spielsucht).Abhängigkeitserkrankungen umfassen insbesondere folgende Substanzgruppen: Alkohol Stimulanzien (u.a. Methamphetamin, „Crystal“) und neue psychoaktive Substanzen Cannabis Medikamente (z.B. Benzodiazepine, Schmerzmittel) Opiate/Opioide Sonstige Substanzen (z.B. Halluzinogene, pflanzliche Drogen) MehrfachabhängigkeitTherapieziele Besserung der psychischen und körperlichen Symptome Motivierung zur weiterführenden Rehabilitationsbehandlung Herstellung der Rehafähigkeit, möglichst in Form einer stationären Entwöhnungsbehandlung Vorbereitung auf eine ambulante Weiterbehandlung (Suchtberatungsstelle, Tagesstätte, Begegnungsstätte,Selbsthilfegruppe, Hausarzt)5.2.3.1 AlkoholabhängigkeitIn der Klinik wird eine qualifizierte Entgiftungsbehandlung durchgeführt. Die Aufnahme einer ambulanten oderstationären Therapie wird unterstützt.5.2.3.2 Stimulanzien („Crystal“, Methamphetamin)In der Klinik werden Patienten mit Methamphetaminabhängigkeit behandelt und zur Durchführung weitererambulanter und stationärer Maßnahmen motiviert.Drogen, die zu einer starken Stimulation des Botenstoffes Dopamin im Gehirn führen, können zu akuten Psychosen führen, die dem Bild einer Schizophrenie ähneln, ohne dass eine primäre Schizophrenie zugrunde liegen muss. Verfolgungswahn Akustische Halluzinationen Psychotische Symptomatik kann lange persistieren (Bramness et al. 2012) Medikamentöse Therapie möglich und in der Regel gut wirksam5.2.3.3 MehrfachabhängigkeitMehrfachabhängigkeit ist gegenwärtig ein häufig anzutreffendes Erkrankungsbild. Sowohl in der akuten Intoxikation mit möglicherweise mehreren Substanzen als auch bei der Entgiftung und Rückfallprävention/Rehabilitationergeben sich für Patienten und Behandler hohe Herausforderungen.5.2.3.4 Komorbide Erkrankungen („Doppeldiagnosen“)Bei Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen können häufig andere psychische Erkrankungen zusätzlich zurAbhängigkeit auftreten. Europäische Studiendaten berichten von 23% Angsterkrankungen, 19% Depressionen bzw.Manien, 9% Erkrankungen mit körperlichen Symptomen (z.B. Schmerzsyndrome) sowie 9% Aufmerksamkeitsstörungen/Hyperaktivität bei Patienten mit Substanzabhängigkeit.9

Wenn sich Patienten mit zusätzlichen psychischen Erkrankungen in eine Therapie begeben, kann die Situation entstehen, dass die akuten psychiatrischen Syndrome mit substanzinduzierten Symptomen verwechselt werden, oderes tritt der entgegengesetzte Fall ein, dass Entzugs- oder Vergiftungssymptome als Ausdruck einer eigenständigenpsychischen Erkrankung eingeordnet werden. In der Klinik wird daher parallel zur Entgiftung eine umfassendepsychiatrische Diagnostik und Therapie durchgeführt, die sich nicht nur auf die Abhängigkeitsproblematik beschränkt.5.2.3.5 Pathologisches SpielenDie Störung besteht in häufigem und wiederholtem episodenhaftem Glücksspiel, das die Lebensführung derbetroffenen Person beherrscht und zum Verfall der sozialen, beruflichen, materiellen und familiären Werte undVerpflichtungen führt.Pathologisches Spielen ist oftmals mit einer Reihe anderer psychischer Erkrankungen assoziiert. Hierbei sindvorrangig: Affektive Störungen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen, Aufmerksamkeitsdefizite, posttraumatische Belastungsstörungen und auch substanzbezogene Störungen (Cowlishaw et al. 2014).Ziele der Therapie sind Glücksspielabstinenz erreichen und erhalten Körperliche und seelische Störungen ausgleichen (Wieder-)Eingliederung in das soziale Leben und das Erwerbsleben Rückfallprophylaxe5.2.3.6 Besondere Therapieformen und Angebote Motivierende Gesprächsführung (Motivational Interviewing) Vorbereitung der Antragstellung für Langzeittherapie Kontaktaufnahme mit Suchtberatungsstelle bereits während des stationären Aufenthalts Vermittlung an Selbsthilfegruppe5.2.4 en werden definiert als tief verwurzelte, anhaltende und weitgehend stabile Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen. Gegenüber derMehrheit der jeweiligen Bevölkerungsgruppe zeigen sich deutliche Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in Beziehungen zu anderen Menschen. In vielen Fällen gehen diese Störungen mit persönlichem Leidenund gestörter sozialer Funktionsfähigkeit einher.Emotional instabile tsstörung)Kennzeichnend ist ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in den zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und in den Affekten sowie deutliche Impulsivität. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter bzw. in derPubertät und manifestiert sich in verschiedenen Lebensbereichen. Oftmals liegen Selbstverletzungstendenzen vorund es können sehr starke Stimmungsschwankungen auftreten.Nach einer eingehenden Diagnostik umfassen die Therapieangebote psychoedukative Maßnahmen, die Reduktionselbstverletzenden Verhaltens, Verhaltensanalyse sowie Maßnahmen zur Etablierung einer tragfähigen therapeutischen Beziehung zur weiteren ambulanten bzw. stationären psychotherapeutischen Behandlung.Das Therapieprogramm orientiert sich an den Elementen der Dialektisch Behavioralen Therapie (Sendera und Sendera 2007; Linehan 2014; Bohus et al. 2014).Es umfasst die Module Soziales Kompetenztraining Stresstoleranz und Krisenstrategien Emotionsregulation, bewusster Umgang mit Gefühlen, Umgang mit Schmerz Entspannung und „innere Achtsamkeit“10

Die Therapie ist eingebettet in einen konsequenten milieutherapeutischen Ansatz mit Betonung der therapeutischen Gemeinschaft.5.3 Psychische Erkrankungen des älteren MenschenÄltere Menschen werden in der Klinik auf allen Stationen mit entsprechenden indikationsspezifischen Angebotenbehandelt. Hintergrund für dieses Konzept ist die epidemiologische Häufung insbesondere von Depressionen undanderen psychiatrischen Erkrankungen bei älteren Menschen, ohne dass diese mit kognitiven Einschränkungeneinhergehen, die eine ausschließliche Behandlung auf gerontopsychiatrischen Spezialeinheiten gebieten würde.Auch im Selbstverständnis der Betreffenden ist eine gerontopsychiatrische Zuordnung oftmals nur schwer akzeptierbar. Darüber hinaus hat sich das alters- und auch diagnosenübergreifende Behandlungssetting in einer gelebtentherapeutischen Gemeinschaft als zielführend erwiesen.Gerontopsychiatrisch-geriatrische Patienten mit erhöhtem Überwachungs- und Pflegebedarf werden auf der Station 4 oder im Rahmen der Kooperation mit der Klinik für Geriatrie behandelt.5.3.1 Depressionen/AngsterkrankungenErkrankungen des älteren Menschen gewinnen durch die demografischen Veränderungen eine zunehmende Bedeutung. So ist die Depression mit allen damit einhergehenden Beeinträchtigungen eine im Alter häufige Erkrankung. Sowohl die Psychotherapie als auch die medikamentöse Therapie im Alter erfordern ein besonders sorgfältiges Vorgehen. Den Besonderheiten der Lebensumstände, der familiären Einbindung, ggfs. Verlustsituationen unddem Rückzug aus dem Arbeitsleben ist beim therapeutischen Vorgehen ausreichend Rechnung zu tragen.5.3.2 DemenzerkrankungenAuch kognitive Einschränkungen, z.B. auf Grundlage einer Demenz können vermehrt im Alter auftreten. Nebender zielgerichteten Diagnostik steht eine Reihe von Therapieansätzen unter Beteiligung des gesamten sozialenNetzwerks zur Verfügung.Diagnostische Schwerpunkte Diagnostik von Alltagsfertigkeiten Organische Diagnostik einschließlich differenzierte Liquordiagnostik bei Demenzen Neuropsychologische Diagnostik mit Schwerpunkt Gedächtnisleistungen Bildgebung (CT, MRT, PET, SPECT) Psychosoziale Diagnostik des sozialen SupportsystemsTherapeutische Schwerpunkte Psychotherapie Pharmakotherapie Hirnleistungstraining Ergotherapie Gruppengespräche Entspannungstherapie Kunsttherapie Angehörigenberatung und Angehörigengruppe5.4 Psychosomatische MedizinIm Arbeitsbereich Psychosomatische Medizin werden schwerpunktmäßig Patienten mit Essstörungen und somatoformen Störungen behandelt.11

6 Therapeutische Angebote6.1 Voraussetzungen6.1.1 Evidenzbasierte TherapieDie psychotherapeutischen, medikamentösen und sonstigen somatischen Therapieverfahren der Klinik folgenden offiziellen Leitlinien der Fachgesellschaften. Alle Therapiemaßnahmen sind evidenzbasiert, d.h. es kommenTherapieverfahren zum Einsatz, bei denen wissenschaftliche Untersuchungen die Wirksamkeit und Verträglichkeitnachgewiesen haben.Für jeden Patienten werden individuelle Therapiepläne erstellt, die den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnungtragen. Hierbei spielen klinische Expertise und aktuelle Weiterbildung der behandelnden multiprofessionellenTeams eine besondere Rolle für die Erhaltung hoher Qualitätsstandards der Therapie.6.1.2 Multimodale TherapiePharmakologische und nicht-pharmakologische Verfahren werden kombiniert, wenn sich dies als sinnvoll erweist.6.1.3 Störungsspezifische modulare PsychotherapieIn der Klinik wird eine modulare störungsspezifische Therapie durchgeführt. Für jeden Patienten werden die verfügbaren therapeutischen Module individuell zusammengestellt und in regelmäßigen Visiten und Teamsitzungenkoordiniert. Ressourcenorientierte Ansätze werden mit spezifischen, an der Symptomatik und Grunderkrankungorientierten Therapiemodulen kombiniert. Die Zuordnung zu den Therapiegruppen erfolgt zu Beginn und regelmäßig im weiteren Verlauf durch das ärztlich geleitete multiprofessionelle Behandlungsteam in regelmäßigen Indikationskonferenzen. Verhaltenstherapeutische und tiefenpsychologische Elemente werden schulenübergreifend integriertwerden. Das therapeutische Vorgehen orientiert sich an wissenschaftlich überprüften Konzepten der Einzel- undGruppenpsychotherapie (Fiedler 2005). Therapieziele werden gemeinsam mit den Patienten erarbeitet.Voraussetzung für das Erreichen von Behandlungszielen und therapeutischer Adhärenz ist die Schaffung einervertrauensvollen und belastbaren therapeutischen Atmosphäre im klar strukturierten, schützenden Raum der Klinik.Therapeutischer Wirkfaktor ist auch die Einbeziehung in die therapeutische Gemeinschaft, deren soziale Dynamikauch außerhalb offizieller Therapieveranstaltungen – u.a. vorrangig auch z.B. in den therapiefreien Zeiten oder amWochenende – wirksam ist („Therapie außerhalb der Therapie“).6.2 Störungsspezifische therapeutische Angebote6.2.1 DepressionsgruppeIn der Gruppe zur Depressionsbewältigung wird auf Grundlage eines kognitiv-verhaltenstherapeutischen Konzeptes (Hautzinger 2013) unter Hinzuziehung achtsamkeitsbasierter Ansätze (Michalak et al. 2012) eine psychotherapeutische Behandlung depressiver Symptomatik durchgeführt.Therapeutische Elemente sind: Vermittlung von Informationen zur Entstehung und Therapie der Depression,Vermittlung eines therapeutischen Modells, Aktivitätsaufbau, Tagesstrukturierung, Aufbau angenehmer Aktivitäten, Bearbeitung kognitiver Muster und dysfunktionaler Kognitionen, Verbesserung der sozialen, interaktivenund problemlösenden Kompetenzen, Erkennen und Vorbereitung auf Krisen einschl. Erstellung eines Krisenplans,Rückfallprophylaxe, achtsamkeitsbasierte Verfahren.Durch die Therapie sollen die Patienten eine Remission der bestehenden depressiven Symptomatik und affektiveStabilität erreichen sowie auch zukünftig, z.B. in Belastungssituationen, durch vorhandene Bewältigungs- undBehandlungsstrategien Rückfälle wirksam vermeiden können.12

6.2.2 AngstbewältigungPsychotherapeutische Interventionen haben sich bei der Behandlung von Angsterkrankungen als wirksam erwiesen (Bandelow et al. 2014). Das Angstbewältigungstraining enthält folgende Bestandteile (Schmidt-Traub 2013): Informationsvermittlung über Angst und Angstanfälle Kognitive Bearbeitung von ursprünglich als bedrohlich interpretierten körperlichen Symptomen(z.B. Herzklopfen, Schwindel) Konfrontation mit internen Reizen (z.B. Angstsymptome, Angst auslösende Gedanken, Hyperventilation).Therapeutisches Ziel ist die Reduktion der Angstsymptomatik bzw. eine verbesserte Bewältigungskompetenz.Gegebenenfalls sind die Indikation und mögliche Behandlungsziele für eine weiterführende ambulante Psychotherapie zu prüfen.ExpositionstrainingDas Expositionstraining umfasst gezielte Übungen zur Überwindung von Angst oder sozialer Unsicherheit (Lang2012). Hierbei werden Situationen identifiziert, die für den Einzelnen ein hohes Angstpotential mit resultierendemVermeidungspotential besitzen. Systematisches Annähern und Durchstehen dieser situativen Auslöser kann alsTeil von Strategien zur Überwindung von Angsterleben und Unsicherheit eingesetzt werden.6.2.3 e Gruppe bearbeitet verschiedene Persönlichkeitseigenschaften und -akzentuierungen sowie mögliche Persönlichkeitsstörungen. Hierbei steht zunächst ein diagnostischer Prozess im Vordergrund, der interaktiv unter Verwendung von diagnostischen Materialien und Gruppengesprächen abläuft.Die Therapie orientiert sich an Manualen, die den Patienten eine niedrigschwellige Zugangsmöglichkeit zurThematik von Persönlichkeitsstörungen bieten (Oldham and Morris 2010, Trautmann 2008, Schmitz 2001). Verhaltenstherapeutische Strategien, z.B. zum Umgang mit Impulsivität, expansiven Persönlichkeitsanteilen, aber auchselbstunsicher-zurückhaltenden Persönlichkeitsstrukturierungen fließen in den Gruppenprozess ein. Ein wichtigersowohl diagnostischer als auch therapeutischer Aspekt ist die Gruppendynamik.6.2.4 Psychosen-Psychotherapie6.2.4.1 Integrierte Psychologische Therapieprogramm (IPT)Das IPT ist ein verhaltenstherapeutisches Gruppentherapieprogramm und besteht aus mehreren Unterprogrammen: Kognitive Differenzierung, soziale Wahrnehmung, verbale Kommunikation, soziale Fertigkeiten und interpersonelles Problemlösen (Roder 2008).6.2.5 PsychoedukationIn dieser Gruppe wird interaktiv Wissen zu psychiatrischen Erkrankungen vermittelt wird. Spezifische Modulebestehen u.a. für: Depression (Pitschel-Walz 2003), Angst- und Panikstörung (Alsleben 2004), Schizophrenie (Bäuml2005), Komorbidität Psychose und Sucht (D‘Amelio et al. 2007) und Borderline-Persönlichkeitsstörung (Rentrop etal. 2011).6.2.6 Qualifizierte Entgiftung bei Alkohol- /DrogenabhängigkeitMotivierende Gesprächsführung und Rückfallprävention nehmen eine zentrale Position in der qualifizierten Entgiftung ein.Motivierende GesprächsführungMotivierende Gesprächsführung (Motivational Interviewing, MI) wird definiert als ein klientenzentrierter, aberdirektiver Beratungsansatz mit dem Ziel, intrinsische Motivation zur Verhaltensänderung aufzubauen.Das Konzept wurde ursprünglich 1991 von William Miller und Stephen Rollnick zur Beratung für Menschen mitSuchtproblemen entwickelt (Miller und Rollnick 2012). Im Gegensatz zu vielen anderen Verfahren in diesem Bereich wird bei der motivierenden Gesprächsführung explizit auf ein konfrontatives Vorgehen verzichtet.13

RückfallpräventionRückfallprävention integriert alle im Rahmen des bio-psycho-sozialen Entstehungsmodells der Suchterkrankunggewonnenen Informationen über die Genese und Ausprägung der spezifischen Abhängigkeitserkrankung beieinem Patienten.Demzufolge orientieren sich die therapeutischen Vorgehensweisen bei der Rückfallprävention an dem individuellen Entstehungsgefüge, den sozialen Kontextfaktoren, intrapsychischen Prozessen und komorbiden Erkrankungen. Aus der Summe dieser Informationen gilt es ei

5 2.2 Station 2 Auf der Station 2 wird ein integriertes psychiatrisch-psychotherapeutisches Behandlungskonzept primär für Patienten mit depressiven Reaktionen, Angsterkrankungen, Anpassungsstörungen und Persönlichkeitsstörungen