Praxisgerechte Bestimmung Von Messunsicherheiten .

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Praxisgerechte Bestimmung von Messunsicherheitennach GUM (bei Kalibrierungen)MessunsicherheitsfibelTesto Industrial Services – Mehr Service, mehr Sicherheit

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VorwortDie heutige hochtechnologische WirtschaftEine international anerkannte Vorgehensweisemit weltweiten Qualitätsstandards benötigtzur Messunsicherheitsberechnung liefert der„sichere und präzise“ Messungen. Nur so sindGUM (Guide to the Expression of Uncertaintyz. B. weitreichende Arbeitsteilungen, hohein Measurement) von 1993, der die Basis derPassgenauigkeiten, eine lange LebensdauerDKD-3 (Angabe der Messunsicherheit beider Produkte sowie hoher Produkt- und Ver-Kalibrierungen von 2008) und dieser Fibel ist.braucherschutz möglich.Allerdings ist der GUM-Leitfaden sehr wissenschaftlich und allgemein gehalten.Grundlage hierfür sind internationale Normaleund die Rückverfolgung jedes Messwertes mitDiese Messunsicherheitsfibel ist für Praktikerbekannter Messunsicherheit. Der Vergleichgedacht, die Kalibrierungen durchführen.von Messergebnissen ist eine wesentlicheAus diesem Grund ist sie in einigen PunktenGrundlage unseres Wirtschaftslebens.vereinfacht und erhebt nicht den Anspruchder Vollständigkeit. Zur weiteren ErläuterungEine der wichtigsten Voraussetzungen ist dieund für einen Praxisbezug sind verschiedeneRichtigkeit der für Kalibrierungen und Prüfun-Beispiele in der Fibel aufgeführt.gen verwendeten Mess- und Prüfmittel. Hierzugehört vor allem die regelmäßige Kalibrierungmit der Feststellung der Messabweichung unddie Bestimmung der Messunsicherheit.Ihr Testo Industrial Services Team3

InhaltsverzeichnisInhalt81Normen und Richtlinien81.1Was heißt messen?91.2Verlässlichkeit einer Messung101.3Vollständiges 5Einflusskomponenten auf die151.6MessunsicherheitZusammenhang von Genauigkeit, Präzisionund Auflösung161.7Beurteilung von Messergebnissen171.8DIN EN ISO 14253-1 (2013) - Prüfungvon Werkstücken und Messgeräten durchMessen191.9Definition im Verhältnis Abnehmer-Zulieferer221.10ILAC-G8: 03/2009 – Guidelines on the241.11reporting of compliance with specificationDIN EN ISO 10012-1: Messmanagementsysteme251.12Bemerkungen für die Praxis262Statistische Grundlagen für die Mess-unsicherheitsberechnung272.1Rechteckförmige Verteilung282.2Trapezförmige Verteilung312.3Dreieckförmige Verteilung342.4Glockenförmige Verteilung4Messwert11(Gauß’sche Glockenkurve)362.5Arithmetischer Mittelwert372.6Spannweite

Praxisgerechte Bestimmung vonMessunsicherheiten nach GUM443.1Das Verfahren des GUM483.2Ermittlung des besten Schätzwertes503.3Erweiterte Messunsicherheit523.4Sequenz der wichtigsten Schritte523.5Aufstellung eines Modells der Auswertung543.6Kenntnisse über die Eingangsgrößen563.7Addition der Eingangsgrößen nach demFehlerfortpflanzungsgesetz nach Gauß573.8Korrelation zwischen einzelnen Einflussgrößen613.9Berechnung des Messergebnisses und derbeigeordneten Messunsicherheit643.10Angabe des vollständigen Messergebnisses663.11Der Freiheitsgrad einer Größe714Bewertung von Mess-/Kalibrierergebnissen714.1Bewertung nach DIN EN ISO 14253-1734.2Beispiel für Konformitätsaussage mit Berück-774.3sichtigung der MessunsicherheitMaßnahmen zum Verkleinern der Messunsicherheit784.4Erhöhung der Wirtschaftlichkeit794.5Sichern der Produktqualität5

tionales Normal815.5Internationales Normal815.6Reproduzierbarkeit825.7Systematische Abweichung825.8Übersicht �zision845.11Vergleichspräzision855.12Stabilität (Drift)866Beispiele und Übungen866.1Bestimmung des BMI (Body Mass Index) mit6Wichtige Begriffe und Definitionen zurMessunsicherheitsberechnungBerechnung der Messunsicherheit926.2Längenmessung mittels Zollstock966.3Messunsicherheitsberechnung für dieKalibrierung eines Messschiebers100Messunsicherheitsberechnung für einen6.4Messumformer mit rierung eines tragbaren Digitalmultimetersbei einer Gleichspannung von 100 V1126.7Kalibrierung einer Bügelmessschraube1166.8Reihenschaltung von Widerständen1216.9Messunsicherheitsberechnung für dieKalibrierung von nichtselbsttätigenelektronischen Waagen

1257Lineare thermische sto Industrial Services13010Ihre Notizen7

Normen und Richtlinien1 Normen und Richtlinien1.1 Was heißt messen?Das Ziel einer Messung ist, bestimmte charakteristische Merkmale eines Gegenstandes oder einer Leistung zu ermitteln undmit Hilfe einer Maßzahl oder einem Wert auf einer Skala anzugeben. Der Vorgang des Messens besteht also aus der Erfassung der eigentlichen Messgröße und der Normierung, d. h. derZuordnung einer Maßzahl. Der Messgröße X wird die Maßzahl xals Vielfaches der Einheitsgröße N zugeordnet.X x·NUm eine so definierte Messung durchführen zu können, müssenalso 2 Voraussetzungen erfüllt sein.Voraussetzung 1:Die zu messende Größe muss eindeutig definiert und quantitativ bestimmbar sein.Voraussetzung 2:Das Messnormal muss durch eine Konvention festgelegt sein.Beide Voraussetzungen sind nicht selbstverständlich und demzufolge auch nicht immer erfüllt.Beispiel:Für den Tourismus mag eine Angabe wie „Bergün liegt 1373m. ü. M.“ genügen. Die Messgröße ist offenbar die Höhe überMeer. Aber ist es klar, worauf sich der Zahlenwert bezieht?Bezugsnormal ist der Meeresspiegel (wie ist dieser definiert?).8

1.2 Verlässlichkeit einer MessungDamit das Ergebnis einer Messung weiterverwendet und richtige Rückschlüsse auf den zu messenden Gegenstand gemachtwerden können, muss neben dem ermittelten Wert der Messgröße auch eine Aussage über die Qualität des Ergebnissesgemacht werden.Hier gilt es zu beachten, dass der Wert der betrachteten Messgröße grundsätzlich nicht genau bestimmt werden kann. DasErgebnis einer Messung ist stets bloß eine Schätzung für den(wahren) Wert der Messgröße, welcher grundsätzlich unbestimmbar bleibt.Es gilt nun, eine Aussage über die Annäherung der Schätzungan den (unbekannten) Wert der Messgröße zu machen. Oderanders ausgedrückt, eine Aussage über die Messunsicherheitzu machen, d. h. eine Angabe über die Wahrscheinlichkeit,dass das Ergebnis der Messung mit dem „wahren“ Sachverhaltübereinstimmt.9

Normen und Richtlinien1.3 Vollständiges Messergebnis/vollständiger MesswertMesswerte werden heutzutage oftmals nur noch als Wertewahrgenommen. Die Messunsicherheit und oftmals sogar dieEinheit, sowie die Auflösung werden vernachlässigt.Die Angabe eines Messergebnisses ist nur dann vollständig,wenn sie sowohl den der Messgröße durch die Messung zugewiesenen Wert, als auch die mit dieser Zuweisung verbundeneMessunsicherheit enthält.Hinzu kommen eine korrekte Einheit und die Anzahl an angegebenen Dezimalstellen.Ein Messergebnis ist ein durch Messung gewonnener,einer Messgröße zugeordneter WertI 1,89302Einheit fehltI 1,89302 AMessunsicherheit fehltI (1,89302 0,01) Azu viele NachkommastellenKorrekte Angabe eines Messergebnisses:I (1,89 0,01) Aoderallgemein: I Anzeigewert MU10I 1,89 A 0,01 A

1.4 Messunsicherheit1.4.1 Definition der MessunsicherheitDie Messunsicherheit ist der Schätzwert zur Kennzeichnungeines Wertebereiches, innerhalb dessen der richtige Wert derMessgröße liegt, bzw. dem Messergebnis zugeordneter Parameter, der die Streuung der Werte kennzeichnet, die der Messgröße zugeordnet werden können.MessunsicherheitRichtiger WertGemessene Werte11

Normen und Richtlinien1.4.1.1 Definition nach VIM (internationales Wörterbuch derMetrologie)Dem Messergebnis zugeordneter Parameter, der die Streuungder Werte kennzeichnet, die vernünftigerweise der Messgrößezugeordnet werden könnte.Anmerkungen: Der Parameter kann bspw. eine Standardabweichung (oderein gegebenes Vielfaches davon) oder die halbe Weite einesBereiches sein, der ein festgelegtes Vertrauensniveau hat. Messunsicherheit enthält im Allgemeinen viele Komponenten.Einige dieser Komponenten können aus der statistischenVerteilung der Ergebnisse einer Messreihe ermittelt und durchempirische Standardabweichungen gekennzeichnet werden.Die anderen Komponenten, die ebenfalls durch Standardabweichungen charakterisiert werden können, werden ausangenommenen Wahrscheinlichkeitsverteilungen ermittelt,die sich auf die Erfahrung oder andere Informationen gründen. Es wird vorausgesetzt, dass das Messergebnis der besteSchätzwert für den Wert der Messgröße ist, und dass alleKomponenten der Unsicherheit zur Streuung beitragen, eingeschlossen diejenigen, welche von systematischen Einwirkungen herrühren, z. B. solche die von Korrektionen undBezugsnormalen stammen.12

1.4.1.2 Definition nach DIN 1319-1Kennwert, der aus Messungen gewonnen wird und zusammenmit dem Messergebnis zur Kennzeichnung eines Wertebereiches für den wahren Wert der Messgröße dient.Anmerkungen:Sofern Missverständnisse nicht zu erwarten sind, darf die Messunsicherheit auch kurz „Unsicherheit“ genannt werden. DieMessunsicherheit ist positiv und wird ohne Vorzeichen angegeben. Ist u die quantitativ ermittelte Messunsicherheit undM das Messergebnis, so hat der zu diesen Angaben gehörigeWertebereich für den wahren Wert die Untergrenze M - u undObergrenze M u. Es wird erwartet, dass dieser Wertebereichden wahren Wert enthält. Die Messunsicherheit ist ein quantitatives Maß für den nur qualitativ zu verwendenden Begriff derGenauigkeit, der allgemein die Annäherung des Messergebnisses an den wahren Wert der Messgröße bezeichnet. (Von zweiMessungen derselben Messgröße ist diejenige genauer, der diekleinere Messunsicherheit zukommt.) Weder darf die Messunsicherheit mit der Benennung „Genauigkeit“ versehen werden,noch soll die Benennung „Präzision“ anstelle von „Genauigkeit“verwendet werden.1.4.2 Relative MessunsicherheitMessunsicherheit, bezogen auf den Betrag des Messergebnisses.Anmerkung: Ist u die Messunsicherheit und M ( 0) das Messergebnis, so ist die relative Messunsicherheit gleich.u M relative Messunsicherheit13

Normen und Richtlinien1.5 Einflusskomponenten auf dieMessunsicherheitEinflusskomponente oder Einflussgröße auf die Messunsicherheit ist eine Größe, die nicht Messgröße ist, jedoch das Messergebnis beeinflusst.Beispiele: Temperatur einer Messschraube zur Längenmessung Billirubin-Konzentration bei der Messung der HämoglobinKonzentration in einer Probe menschlichen MerfVe14

1.6 Zusammenhang von Genauigkeit,Präzision und AuflösungUnter der Auflösung wird die kleinste Zähleinheit, hier der Abstand der Ringe der Zielscheibe, verstanden.Die Streuung der Einschusslöcher gibt die Präzision an; sie istein Maß für die Reproduzierbarkeit der Treffer.Die Streuung der Einschusslöcher zum Zentrum der Zielscheibewird durch die Genauigkeit ausgedrückt. (Es werden nur systematische Abweichungen berücksichtigt.)15

Normen und Richtlinien1.7 Beurteilung von MessergebnissenAufgrund der Zuordnung der Messunsicherheit zum Messwertbei einem vollständigen Messergebnis, können sich bei derBeurteilung bezüglich der Einhaltung von Spezifikationen(Sollwerten) verschiedene Situationen ergeben.Fall 1:Wert liegt im Bereich der ÜbereinstimmungFall 2:Wert liegt im Bereich der NichtübereinstimmungFall 3:Wert liegt im Unsicherheitsbereich1.7.1 Nachweis der ÜbereinstimmungIn diesem Fall ist der Spezifikationsbereich um die Messunsicherheit einzuschränken.Bereich der Übereinstimmung:Einseitige SpezifikationZweiseitige SpezifikationBereich h derÜbereinstimmungSpezifikationsbereichU

1.7.2 Nachweis der NichtÜbereinstimmungUm eine sichere Aussage über die Nichteinhaltung mit einerSpezifikation zu treffen, ist der Spezifikationsbereich um dieMessunsicherheit zu erweitern.Einseitige SpezifikationUBereich der NichtÜbereinstimmungUBereich der ige SpezifikationBereich der NichtÜbereinstimmungUSpezifikationsbereich1.8 DIN EN ISO 14253-1 (2013)- Prüfung von Werkstücken und Messgeräten durch MessenDie Norm beschreibt Entscheidungsregeln für die Festlegungvon Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung mit Spezifikationen. Teil 1 gehört zum Bereich der Geometrischen Produktspezifikation (GPS) und schließt folgende Spezifikationen ein:a) Werkstückspezifikationen(üblicherweise als Toleranzgrenzen angegeben) undb) Messgerätespezifikation(üblicherweise als Grenzabweichungen eines Messgerätes angegeben)17

Normen und RichtlinienIm Sinne dieser internationalen Norm ist die Messunsicherheitentsprechend GUM abzuschätzen und zu bewerten. Sie wirdals erweiterte Messunsicherheit U nach der Beziehung:U k Uangegeben mit dem Regelfall-Erweiterungsfaktor k 2.Das vollständige Messergebnis wird ausgedrückt als:y' y UIn der Fertigungs- oder Prüfphase wird die Bedeutung der Begriffe „innerhalb der Spezifikation“ und „außerhalb der Spezifikation“ kompliziert durch die immer vorhandene Messunsicherheit. Die „scharfen“ Trennlinien (aus der Konstruktionsphase)verwandeln sich in Unsicherheitsbereiche.Demzufolge werden die Übereinstimmungs- und Nichtübereinstimmungsbereiche durch die ermittelte Messunsicherheit umden Unsicherheitsbereich verringert.Nachweis der Übereinstimmung und Nichtübereinstimmung mit der GPS- Spezifikation18

In einem Hersteller-/Abnehmerverhältnis oder für ein Kalibrierlabor gilt folgende Regel, wenn keine vorherigen Vereinbarungengetroffen wurden:Die Messunsicherheit wirkt sich immer gegendenjenigen Partner aus, der den Nachweis für dieÜbereinstimmung oder die Nichtübereinstimmungerbringt und deshalb die Messungen durchführt.1.9 Definition im Verhältnis AbnehmerZuliefererDie Behandlung der Messunsicherheit zwischen Abnehmer undZulieferer muss besonders geregelt werden. Für den Zulieferersind die einzuhaltenden Toleranzgrenzen um die Messunsicherheit seiner Koordinationsmessgeräte zu reduzieren, um dieEinhaltung der Toleranzen zu garantieren.Der Abnehmer

17 1.8 DIN EN ISO 14253-1 (2013) - Prüfung von Werkstücken und Messgeräten durch Messen 19 1.9 Definition im Verhältnis Abnehmer-Zulieferer 22 1.10 ILAC-G8: 03/2009 – Guidelines on the reporting of compliance with specification 24 1.11 DIN EN ISO 10012-1: Messmanagement-systeme 25 1.12 Bemerkungen für die Praxis