„Erziehung Ohne Zwang

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„Erziehung ohne Zwang“Maria MontessoriWas sie als Kind lernte und als Frau undMutter, Ärztin und Pädagoginerkämpfte.Ein Beitrag zu ihrem150. Geburtstag

Dr. Maria Montessori„Maria Montessori ist viel komplizierterund interessanter als die Gipsheilige, zuder ihre ergebenen Anhänger sie gemachthaben. Unter all der fast mystischenVerehrung, der Heiligenlegende, die alsBiografie ausgegeben wurde, steckt einezähe, intelligente Frau, die zumindest inihrer Jugend Dinge dachte und tat, dieniemandem vorher in den Sinn gekommenwaren.“ (Kramer 1997, 13)

Was sollen wir wissen? Mit meinem Beitrag möchte ich die Geschichte des Geworden-seins MariaMontessoris wertschätzen und die Bedeutung ihrer Person für uns beiMonaddrei ins Licht rücken. Es soll keine neue oder weitere Biographievon Maria Montessori erstellt oder dargestellt werden. Vielmehr geht es mir darum, das Wirken der Person Maria Montessori mitFaktoren zusammenzubringen, die uns noch heute als Eltern undFürsorgende für Kinder aus Sicht der Monaddrei Philosophie begegnen. Die individualpsychologischen Faktoren der Erkenntnisse A. Adlers, der indiesem Jahr auch 150 Jahre alt wurde, spielen bei meiner Betrachtungkeine geringe Rolle.

Die erkenntnisleitenden Fragen für mich sind:- Was hat Maria in ihrem Herzen bewegt?- Wie ist sie in ihrer Zeit aufgewachsen?- Wie schaffte sie es, diese weltbewegendeAufmerksamkeit zu bekommen und sich gegengeltende Gesetze in Italien hinweg-zusetzen, z.B. alseinzige Frau Medizin zu studieren?- Mit welchen Erfahrens -Voraussetzungen, war sieausgestattet um sich für die Entwicklung undErziehung von Kindern mit solcher Hingabeeinzusetzen?

Maria Montessoris Eltern gehörten zum Bildungsbürgertum.- Der Vater, Alexandro Montessori war beim Militär und zog1875 mit der Familie als Angestellter in dasFinanzministerium der Stadt Rom um der Tochter bessereAusbildungschancen zu bieten.- Die Mutter, Renilde Montessori, geborene Stoppani, hattesich an den Entwicklungen der Reformen desErziehungswesens beteiligt. Sie setzte sich in der Kirche fürSozialschwache ein und nahm an ehrenamtlichen Aktionenzur Unterstützung der Armen teil.

Der Großonkel war der katholische Theologeund Geologe Antonio Stoppani, (24. August1824 in Lecco; † 1. Januar 1891 in Mailand). Erdiente Maria als interessanter Erwachsenerund Vorbild, der für ihre Interessenaufgeschlossen war.Sie hat beispielsweise Bücher von ihm erhaltenund diese als Reiselektüre bei ihren Reisennach Amerika mitgenommen, z.B. Storia dellaCreazione (die Schöpfungsgeschichte).In dessen Theorie zur Verbindung vonTheologie und Naturwissenschaften steckt derGrundgedanke nach dem Montessori später inIndien ihre kosmische Erziehung entwickelte.

Maria war das einzige Kind ihrer Eltern. Bereits in frühen Jahren begleitete sieIhre Mutter zu Benefiz Veranstaltungen in der katholischen Kirche und strickteund häkelte zu Hause Schals und Mützen für arme Kinder.Ihre Mutter Renilde war sehr gütig und liebevoll und lehrte Maria zu allenMenschen freundlich und aufmerksam zu sein. Sie achtete auf gutes Benehmenund Disziplin und vermittelte zwischen Maria und dem strengen Vater.Zudem erklärte sie ihr die Zusammenhänge und die Beweggründe der Konfliktein der Gesellschaft.Renilde nahm zwar die bürgerliche Rolle ein, ermutigte Maria aber selbstbewusstund selbstbestimmt in schwierigen Situationen nicht aufzugeben und stets an dasZiel ihrer Handlungen zu denken.Dabei unterstützte sie Marias Neugierde und Wissensdrang in allenLebensbereichen, speziell im Haus und in der Natur. Um ihr eine bessereBildung zu ermöglichen und die Technische Hochschule besuchen zu können,zog die Familie nach Rom um.

Als Maria Montessori am 31.08.1870 in Chiaravalle in der ProvinzAncona zur Welt kam, traf sie auf eine konfliktreiche Umgebung(Kramer, 1987).Einerseits gab es in der Hafenstadt Ancona viel Bewegung durchmoderne wirtschaftliche Entwicklungen, andererseits strikte Regelnund Gesetze und eine starre Trennung von Kirche und Staat, vonReichtum und großer Armut sowie soziale Unterdrückung der Arbeiter.Zudem bestand eine scharfe Abgrenzung zwischen städtischenGeschäftsleuten und ländlichen Gutsbesitzern, Monarchisten undRepublikanern und ein ständiger Konflikt zwischen Kirche und Staat.

Zwischen den Katholiken und atheistischen Liberalen herrschte Streitdarüber, wer über die Jugenderziehung und folglich über den Geist derJugend bestimmen sollte.Die Katholische Kirche erließ und verfolgte restriktive moralischeRegeln.Eine Reform gegen das soziale Gefälle und die großen Defizite imBildungswesen sollte die Gleichberechtigung der Arbeiter erwirkenund die Wahlberechtigung erschaffen (Kramer).

Bevölkerungsentwicklung Chiaravalle (Marken)Jahr1861Einwohner 197111.863199113.813200114.040201514.796

Maria war in der Schule bei ihrenMitschülerinnen wenig beliebt. Sie wardie Anführerin bei Spielen in der Pauseund herrschte mit harter Hand. Siewollte sich stets von anderenunterscheiden. Passte ihr ein Verhalteneiner Mitschülerin nicht, so reagiertesie mit Worten wie: „Du! Du bist janicht einmal geboren!“ Oder:„Erinnere mich bitte daran, dass ichbeschlossen habe, nie mehr mit Dir zusprechen.“ (vgl. Kramer)

Maria interessierte sich mit besonderer Begabung für Mathematikund naturwissenschaftliche Zusammenhänge.Bei Besuchen von Freunden und Verwandten rezitierte sieGedichte, ließ sich von den Erwachsenen bewundern, zeigtejedoch kein großes Interesse für andere Kinder.Sie hörte aufmerksam zu, wenn sich die Erwachsenen unterhieltenund lernte früh ihre eigene Meinung zu entwickeln und zuvertreten.

Marias berufliche Vision war einegute Ärztin zu werden, um dieÄrmsten in der Umgebung zuheilen, zu pflegen und zuunterstützen.Da sie für dieses Studium als Fraukeine Zulassung bekam,beschloss sie zunächstNaturwissenschaftlerin zuwerden.

1890 überzeugte sie mit Hilfe derMutter ihren Vater davon, ihrenWunsch für ein Medizin Studium zuunterstützen.1896 schloss sie ihr Studium mithervorragendem Ergebnis ab, wurdedie einzige weibliche Ärztin undbekam sofort eine Assistenzarztstellein einer Psychiatrie in Rom. Nebenbeibetrieb sie auch eine private Arztpraxisund unterstützte kranke Mütter, indemsie die Kinder auch Zuhause pflegte.

Eine bedeutsame Anekdote, die sie ihrer pädagogischen Berufungnäherbringt, rankt sich um ihre Tätigkeit in der PsychiatrischenUniversitätsklinik.Dort werden ihr geistig behinderte Kinder vorgeführt, diegemeinsam mit psychotischen Erwachsenen eingeschlossen, wiein einem Gefängnis, untergebracht sind.Die Wärterin sieht in diesen Kindern Tiere mit „abnormemFressverhalten“, da sie mit den Brotresten spielen.Maria Montessori dagegen erkennt hier das Bedürfnis der Kinder,sich in einem leeren Raum geistige Anregung zu verschaffen.

Nach zwei Jahren bricht sie diese Tätigkeit plötzlich ab.Maria Montessori verliebt sich in einen Kollegen, Leiter derPsychiatrie Giuseppe Ferruccio Montessano und wird schwanger.Die uneheliche Schwangerschaft und Geburt eines Sohnes werdenvor der Öffentlichkeit geheim gehalten.Maria darf das Kind nicht behalten und ist enttäuscht vonGiuseppe und ihrer eigenen Mutter. Der Sohn, Mario, wird zueiner Pflegefamilie aufs Land gegeben und wächst ab seinemsiebten Lebensjahr in einem Internat in Florenz auf.Erst nach dem Tod ihrer Mutter nimmt sie ihn als Jugendlichenbei sich auf. Mario Montessori wird später eine wertvolle Stütze fürseine Mutter und führt ihr Werk fort.

GiuseppeFerruccioMontessano

Maria studiert nun Pädagogik und die Schriftenvon Jean Marc Gaspard Itard (1774–1838) undEduard Seguin (1812–1880).Beide Ärzte hatten zu Beginn des 19. Jahrhundertsin Frankreich bahnbrechende Arbeiten zurErziehung geistig behinderter Kinder geleistet.Maria wendet sich den Sinnesmaterialien vonSeguin zu, entwickelt sie weiter bis hin zu derForm, die heute noch als Montessori-Material inKinderhäusern und Schulen zum Einsatz kommt.

Ende des 19. Jahrhunderts übernimmt sie die Leitung desneugegründeten Heilpädagogischen Institutes in Rom und 1907die Leitung eines Waisenhauses: Casa de bambini.Hierin sieht sie die Möglichkeit ihre Erziehungsideen undMethoden in einem laborähnlichen Versuch empirisch zuüberprüfen. Sie schreibt über die ersten Erfahrungen inGrundlagen meiner Methode.Sie wird über die Grenzen Italiens mit den Lernerfolgen ihrerSchüler bekannt.

Grundlagen ihrer Methode:Individuelle Arbeit Wiederholung der ÜbungFreie Wahl der TätigkeitKontrolle des IrrtumsAnalyse der BewegungenÜbungen der StilleGute Manieren im gesellschaftlichen UmgangOrdnung in der UmweltSauberkeit der PersonErziehung der SinneDisziplinSchreiben unabhängig vom LesenSchreiben als Vorstufe des LesensLesen ohne BücherAbschaffung der Belohnung und Strafen Abschaffung der Fibeln Abschaffung der gemeinsamen Lektionen alshauptsächliches Unterrichtsmittel Abschaffung der Lehrpläne und Prüfungen Abschaffung der Spielsachen und Leckereien Abschaffung des Katheders der unterrichtendenLehrerin

Ordnung führt zu orientierenErfassen spricht alle Sinne anSelektieren zuordnen & paarenEinordnen Prinzipien anwendenStrukturen erkennen forschendifferenzieren denkend handelnGenauigkeit prüfenAnalyse bestätigtErfolg oder Misserfolg

1921 Founding of the New Education Fellowship,today known as the World Education Fellowship,of which Maria Montessori is an active member,engaging in heated debate with the leading educational reformersof the time while meeting A. Adler, Ellen Kay u.a.

Internationale Erfolge Reisen nach Amerika und alle Länder Europas Ausbildungskurse für ihre Methode Vorträge zur Bildung von Kindern und Frauen Eine Reihe grundlegender Bücher Bruch mit Mussolini, der die Erziehung zur Disziplin politisch nutzten wollte 1939 -1946 Exil in Adyar/Indien, wo sie mit ihrem Sohn Mario und seinerFamilie die kosmische Erziehung entwickelte und u.a. auch mit

Rabindranath Tagore zusammentraf. Erwar ein bengalischer Dichter, Philosoph,Maler, Komponist, Musiker undBrahmo-Samaj-Anhänger, der 1913 denNobelpreis für Literatur erhielt unddamit der erste asiatischeNobelpreisträger war (Wikipedia).Seine Gedanken und Betrachtungen desKosmos und des Universums habenMontessori inspiriert die kosmischenErzählungen in ihr Konzept zuimplantieren, was sie nach ihrerRückkehr mit ihrem Sohn entwickelte.

Montessoris Erfahrungshorizontderen Auswirkungen Regeln werden akzeptiert Mutterschaft verstärkt liebe zum Kind Geordnetes Zuhause, Bücher Vertrauen in die Kindheit Disziplinierte katholische Erziehung Gute Betreuung und Pflege Verstehen der Probleme in derGesellschaft Sorge für andere Mit Freude Lernen und Handeln Mutter auf Augenhöhe, erfüllt dieWünsche Analytisches Denken Gute Bildungsmöglichkeiten (in Rom) Akzeptierte Eigenwilligkeit Anerkennung der Fähigkeiten(Ermutigung) Gemeinschaftsgefühl - Beiträge zurGemeinschaft leisten istselbstverständlich Begabung für Naturwissenschaft Eigenständige Überwindung vonProblemen

Voraussetzungen durch FamilienkonstellationAlfred Adlers Individualpsychologie legt einsystemisches Konzept nahe, mit dem eineFamilienkonstellation zur Deutung der gelebtenErfahrungen hilfreich ist. Die Umsetzung ihrerbisherigen Erkenntnisse hat Montessori zu einerakzeptierten Lösung im Drama um ihren Sohn findenlassen. Ihr Verantwortungsgefühl für ihr eigenes Kind,übertrug sie auf alle Kinder und fand den wichtigstenAspekt in der Erziehung zu lehren: Eigenständigkeit undUnabhängigkeit vom Erwachsenen.

- erfährt lange Zeit besondere Beachtung,Zuwendung und Unterstützung seiner Eltern,lebensstiltypischer Anspruch auf Sonderstellung imLeben, wenn ihm der Mittelpunkt nicht automatischzugestanden wird– empfindet es als ungerechtFähigkeiten, in Kombination mitSonderstellungsanspruch

Forderungen Montessoris nach AdlerMaria Montessori Der Erwachsene hat Einfluss auf daskindliche Entwicklungsgeschehen, seineEmotionen und Wahrnehmung darüber, wiedie Welt ist und welche Stellung dazu wirksamsei. Deshalb folgt sie der Erkenntnis AlfredAdlers, dass Ermutigung undGemeinschaftsgefühl durch dieZurückhaltung des Erwachsenen und seinerMachtposition wichtig ist. Zudem fordert sie eine Reflexion desErziehenden, sein Verhalten einem neuenLehrer anzupassen.Alfred Adler Der Mensch müsse lernen, als Mitmenschzu leben und Gemeinschaftsgefühlentwickeln, um einen Beitrag zurGemeinschaft zu leisten. Die gravierendsten Konflikte des Menschenentstehen durch Mangel an Liebe undRespekt. Vermutungen über einen Menschenanzustellen ist nicht ohne ihn zu fragendenkbar, es kann so sein wie wir vermuten,aber es kann auch ganz anders sein. Kindersollen merken, sie können mitbestimmenum Verantwortung zu üben.

Am 6. Mai 1952 verstarb MariaMontessori in den Niederlanden. DieInschrift auf ihrem Grabstein lautet:„Ich bitte die lieben Kinder, die alleskönnen, mit mir zusammen fürden Aufbau des Friedens zwischen denMenschen und in der Welt zu arbeiten.“

Io prego i cari bambiniche possono tutto,di unirsi a me per lacostruzione della pacenegli uomini e nelmondo.

WAS BLEIBT?Nach 150 Jahren

Was ist das Besondere in einer Montessori Schule, einem MontessoriKinderhaus? Was bieten sie dem Kind und seinen ElternUngewöhnliches, Neues, Wissenswertes oder auch Erstaunliches? Respekt, Anerkennung, als Person dazuzugehören, bedeutsam sein, Ermutigung zur Selbsttätigkeit und Partizipation (mitbestimmen), Ordnung und Struktur, um sich sicher zu orientieren zu fühlen, Vorbereitete Umgebung, um Neugierde durch Abgebote zu befriedigen, Bedürfnisorientierung beim Lernen, Zeit haben, sich zu entscheiden, Kompetenzerweiterung, weitergeben was gelernt ist, Wissen festigen, Selbstbewusstsein, wissen wer ich mit welchen Fähigkeiten bin! Emotionaler Beistand durch Entwicklung von Gemeinschaftsgefühl!

Maria Montessoris Eltern gehörten zum Bildungsbürgertum.-Der Vater, Alexandro Montessori war beim Militär und zog 1875 mit der Familie als Angestellter in das Finanzministerium der Stadt Rom um der Tochter bessere Ausbildungschancen zu bieten. -Die Mutter, RenildeMontessori, geborene Stoppani, hatte sich an den Entwicklungen der Reformen des